921.0
Liechtensteinisches Landesgesetzblatt
Jahrgang 1991 Nr. 42 ausgegeben am 27. Juli 1991
Waldgesetz
vom 25. März 1991
Dem nachstehenden, vom Landtag gefassten Beschluss erteile Ich Meine Zustimmung:
I. Allgemeine Bestimmungen
Art. 1
Zweck
1) Der Wald ist von besonderer Bedeutung für den Naturhaushalt und ist wesentlicher Teil der natürlichen Lebensgrundlage. Er hat landeskulturelle, wirtschaftliche, soziale und gesundheitliche Aufgaben zu erfüllen.
2) Dieses Gesetz soll insbesondere
a) den Wald in seiner Fläche und in seiner räumlichen Verteilung erhalten und erforderlichenfalls vermehren,
b) den Wald in seinem Eigenwert und als naturnahe Lebensgemeinschaft schützen,
c) dafür sorgen, dass der Wald seine Funktionen, namentlich die Schutz-, Wohlfahrts- und Erholungs- sowie die Nutzfunktion erfüllen kann,
d) die Lebensräume und Lebensbedingungen bedrohter wildlebender Pflanzen- und Tierarten schützen,
e) die Waldwirtschaft fördern und erhalten,
f) dazu beitragen, dass Menschenleben und erhebliche Sachwerte vor Naturereignissen wie Lawinen, Rutschungen, Erosion und Steinschlag geschützt werden.
Art. 2
Begriff des Waldes
1) Als Wald gilt jede Fläche im Ausmass von mindestens 250 m², die mit mindestens 12 Jahre alten Waldbäumen oder Waldsträuchern bestockt ist und Waldfunktionen erfüllen kann. Entstehung, Nutzungsart und Bezeichnung im Grundbuch sind nicht massgebend.
2) Als Wald gelten auch
a) bestockte Weiden, Auenwälder und Ufergehölze, Windschutz- und Feldgehölze sowie die aufgelockerten Bestände an der Obergrenze des Waldes,
b) unbestockte oder ertragslose Flächen eines Waldgrundstückes, wie Blössen, Waldwege und andere forstliche Bauten und Anlagen sowie auf ehemalig bestocktem Areal angelegte Wildäsungsflächen,
c) Grundstücke, für die eine Aufforstungspflicht besteht.
3) Nicht als Wald gelten Flächen gemäss Abs. 1, die im Zonenplan der Gemeinde einer Bauzone zugeordnet sind.
4) Nicht als Wald gelten isolierte Baum- und Strauchgruppen sowie Hecken im Ausmass von weniger als 250 m², Alleen, Garten-, Grün- und Parkanlagen, Baumkulturen, die auf offenem Land zur kurzfristigen Nutzung angelegt worden sind, sowie Bäume und Sträucher auf Einrichtungen zur Stauhaltung und im unmittelbaren Vorgelände.
Art. 3
Öffentlicher und privater Wald
1) Als öffentlicher Wald gelten Waldungen, die im Eigentum des Staates, der Gemeinden, der Alpgenossenschaften und von Pfründen stehen.
2) Als privater Wald gelten alle übrigen Waldungen.
3) Für die Unterscheidung von öffentlichem und privatem Wald ist das grundbücherliche Eigentum am Waldboden massgebend.
Art. 4
Erhaltung des Waldes
Das Waldareal darf weder gesamthaft noch in seiner örtlichen Verteilung vermindert werden.
II. Schutz und Erhaltung des Waldes
A. Rodung und Waldfeststellung
Art. 5
Begriff der Rodung
Als Rodung gilt die dauernde oder vorübergehende Zweckentfremdung von Waldboden.
Art. 6
Rodungsverbot und Ausnahmebewilligungen
1) Rodungen sind verboten. Über Ansuchen der Gemeinde kann die Regierung eine Ausnahmebewilligung erteilen, wenn der Gesuchsteller nachweist, dass für die Rodung wichtige Gründe bestehen, die das öffentliche Interesse an der Walderhaltung überwiegen und zudem die folgenden Voraussetzungen erfüllt sind:
a) Das Werk, für das gerodet werden soll, muss auf den vorgesehenen Standort angewiesen sein.
b) Das Werk muss die Voraussetzungen der Landesplanung sachlich erfüllen.
c) Die Rodung darf zu keiner Gefährdung der Umwelt führen.
2) Nicht als wichtige Gründe gelten finanzielle Interessen wie die möglichst einträgliche Nutzung des Bodens oder die billige Beschaffung von Land für nichtforstliche Zwecke.
3) Dem Natur- und Landschaftsschutz ist gebührend Rechnung zu tragen.
4) Rodungsbewilligungen sind zu befristen.
Art. 7
Rodungsersatz
1) Für jede Rodung ist in derselben Gegend flächen- und funktionsgleicher Realersatz zu leisten.
2) Ausnahmsweise kann zur Schonung landwirtschaftlich sowie ökologisch oder landschaftlich wertvoller Gebiete der Realersatz in einer anderen Gegend geleistet werden.
3) Anstelle von Realersatz können in Ausnahmefällen Massnahmen zugunsten von Natur- und Landschaftsschutz getroffen werden.
Art. 8
Waldfeststellung
Wer ein schutzwürdiges Interesse nachweist, kann vom Landesforstamt feststellen lassen, ob eine Fläche Wald ist.
B. Wald und Landesplanung
Art. 9
Abgrenzung von Wald und Bauzonen
1) Innerhalb der Bauzone grenzen die Gemeinden den Wald in ihren Zonenplänen verbindlich ab.
2) Das Landesforstamt legt die Waldgrenze fest. Diese bleibt ungeachtet des Einwuchses von Wald in die Bauzone bestehen.
Art. 10
Rodung und Baubewilligung
Die Rodungsbewilligung befreit nicht von der Einholung der Bewilligungen nach dem Baugesetz.
Art. 11
Bauten, Ausbeutungen und Ablagerungen
1) Die Erstellung von Bauten und Anlagen im Wald, welche den Interessen der Walderhaltung und des Natur- und Landschaftsschutzes schaden, ist verboten, auch wenn sie keiner Rodung bedarf.
2) Die Ausbeutung von Steinen, Kies, Lehm und dergleichen sowie die Ablagerung von Stoffen aller Art sind im Wald verboten. Ausnahmen kann die Regierung nach Abwägung möglicher Beeinträchtigungen nur bewilligen, wenn wichtige Gründe vorliegen.
Art. 12
Schützenswerte Lebensräume
1) Sprechen die Walderhaltung und andere öffentliche Interessen nicht dagegen, so kann namentlich aus ökologischen und landschaftlichen Erwägungen auf die Bewirtschaftung des Waldes verzichtet werden.
2) Die Regierung kann im Einvernehmen mit dem Waldeigentümer Waldreservate ausscheiden.
Art. 13
Neubewaldungen
Neubewaldungen, die nicht aus Schutz- oder Wohlfahrtsgründen geboten sind, bedürfen der Bewilligung des Landesforstamtes. Diese ist zu versagen, wenn Belange der Landwirtschaft oder des Natur- und Landschaftsschutzes dadurch erheblich beeinträchtigt würden.
Art. 14
Flurgehölze, Hecken, Windschutzstreifen
Flurgehölze, Hecken und Windschutzstreifen sind naturnahe zu erhalten und erforderlichenfalls auszuweiten. Die Anlage und Pflege sind vom Staat zu fördern.
C. Betreten und Befahren des Waldes
Art. 15
Zugänglichkeit
1) Der Wald ist der Allgemeinheit zugänglich zu halten.
2) Wo es die Erhaltung des Waldes oder andere öffentliche Interessen erfordern, hat die Regierung nach Anhören der betroffenen Waldeigentümer
a) für bestimmte Waldgebiete die Zugänglichkeit einzuschränken,
b) Veranstaltungen im Wald einer Bewilligung zu unterstellen.
3) Jede schädigende Nutzung des Waldes wie das Reiten und das Befahren mit Fahrrädern abseits befestigter Waldwege, das Variantenskifahren, das Campieren, das Aufstellen von Wohnwagen und dergleichen ist verboten. Über Ausnahmen entscheidet die Regierung.
Art. 16
Motorfahrzeugverkehr
1) Wald und Waldwege dürfen mit Motorfahrzeugen nur zu forstlichen, jagdlichen, land- und alpwirtschaftlichen Zwecken befahren werden.
2) Die Regierung kann Ausnahmen für weitere Zwecke bewilligen, wenn nicht die Walderhaltung oder andere öffentliche Interessen dagegen sprechen.
D. Schutz vor anderen Beeinträchtigungen
Art. 17
Waldschädigende Nutzungen
1) Nutzungen, welche keine Rodung im Sinne von Art. 5 darstellen, jedoch die Funktionen oder die Bewirtschaftung des Waldes gefährden oder beeinträchtigen, sind unzulässig. Rechte an solchen Nutzungen sind abzulösen, wenn nötig durch Enteignung.
2) Wald und Weide sind betrieblich zu trennen. Die Beweidung der ausgeschiedenen Waldflächen mit Klein- und Grossvieh ist verboten.
Art. 18
Waldschäden, Katastrophen
Die Regierung ergreift Massnahmen gegen die Ursachen und Folgen von Schäden, welche die Erhaltung des Waldes gefährden können.
Art. 19
Waldrandabstand
Um die Erhaltung, Pflege und Nutzung des Waldes nicht zu beeinträchtigen, wird ein Waldrandabstand festgelegt. Das Verfahren richtet sich nach den baurechtlichen Bestimmungen.
Art. 20
Umweltgefährdende Stoffe
Im Wald dürfen keine umweltgefährdenden Stoffe gelagert und verwendet werden. Die Umweltschutzgesetzgebung regelt die Ausnahmen.
Art. 21
Krankheiten und Schädlinge
Zur Verhütung und Bekämpfung von erheblichem Schädlings- und Krankheitsbefall ordnet die Regierung geeignete Massnahmen an.
Art. 22
Feuern im Wald
1) Feuer dürfen nur an geeigneten Stellen entfacht werden. Die Feuerstelle ist zu beaufsichtigen und das Feuer vor dem Verlassen des Platzes zu löschen.
2) Die Regierung kann zur Verhinderung von Feuerschäden örtliche und zeitliche Feuerverbote erlassen.
Art. 23
Verhütung von Wildschäden
1) Die Regierung ergreift Massnahmen zur Regelung des Wildbestandes, um die Erhaltung des Waldes, insbesondere seine Verjüngung mit standortsgerechten Baumarten, ohne Schutzmassnahmen zu sichern.
2) Wo diese Massnahmen allein nicht ausreichen, oder wo nicht vertretbare, vom Wild verursachte Schäden am Wald auftreten oder zu befürchten sind, entscheiden die Forstorgane über die zu treffenden Verhütungs- und Schutzmassnahmen.
3) An den Kosten von Verhütungs- und Schutzmassnahmen haben sich Staat, Waldeigentümer und Jagdpächter entsprechend der von der Regierung getroffenen Regelung zu beteiligen.
4) Zur laufenden Überprüfung des Waldzustandes und der Verjüngungsentwicklung ist ein Wildschaden-Kontrollsystem mit systematisch angeordneten Verbiss-Kontrollzäunen anzulegen.
5) Die Regierung fördert Massnahmen, welche der Erhaltung und Verbesserung des Wildlebensraumes dienen.
III. Schutz vor Naturereignissen
Art. 24
Sicherungsmassnahmen
Wo es der Schutz von Menschenleben oder erheblichen Sachwerten erfordert, sorgt die Regierung für die Sicherung der Anrissgebiete von Lawinen sowie der Rutsch-, Erosions- und Steinschlaggebiete.
Art. 25
Gefahrenzonenpläne
Anrissgebiete von Lawinen sowie Rutsch-, Erosions- und Steinschlaggebiete sowie Gebiete, welche durch andere Naturereignisse gefährdet sind, sind in den Zonenplänen der Gemeinden als Gefahrenzonen zu kennzeichnen.
IV. Pflege und Nutzung des Waldes
A. Bewirtschaftung
Art. 26
Bewirtschaftungsgrundsätze
1) Der Wald ist so zu erhalten, dass er seine Funktionen dauernd, uneingeschränkt und nachhaltig erfüllen kann.
2) Der Wald ist so zu bewirtschaften, dass
a) den Erfordernissen des naturnahen Waldbaues, insbesondere der Förderung der Naturverjüngung, der standortgerechten, einheimischen Baumarten und der stufigen Bestandesstrukturen sowie des Natur- und Landschaftsschutzes Rechnung getragen wird,
b) die Lebensräume und Lebensbedingungen der wildlebenden Pflanzen- und Tierarten erhalten und wenn nötig verbessert werden sowie natur- und kulturhistorische Zeugnisse bewahrt bleiben,
c) ein angemessener Anteil an Alt- und Totholz vorhanden ist,
d) der Erhaltung und Pflege ökologisch wertvoller Waldränder Rechnung getragen wird.
3) Wo es die Erhaltung des Waldes oder die Sicherstellung der Schutz- und Wohlfahrtsfunktionen erfordern, stellt die Regierung eine minimale Pflege sicher.
4) Werden zur Durchführung von Massnahmen nach diesem Gesetz Waldwege neu angelegt oder ausgebaut, sind den berechtigten Interessen des Natur- und Landschaftsschutzes, der Erholungsnutzung, der Jagd sowie der Land- und Alpwirtschaft gebührend Rechnung zu tragen.
Art. 27
Holznutzung
1) Wer im Wald Bäume fällen will, braucht eine Bewilligung der Forstorgane.
2) Die zur Nutzung vorgesehenen Bäume werden im öffentlichen wie im privaten Wald durch die zuständigen Forstorgane angezeichnet.
Art. 28
Kahlschlagverbot
Kahlschläge und Formen der Holznutzung, die in ihren Auswirkungen Kahlschlägen nahekommen, sind verboten.
Art. 29
Wiederbestockung von Blössen
1) Entstehen durch Eingriffe oder Naturereignisse Blössen, welche die Stabilität oder die Schutzfunktion des Waldes gefährden, so ist sicherzustellen, dass sie wieder bestockt werden.
2) Geschieht dies nicht durch natürliche Verjüngung, so müssen die Blössen mit standortgerechten Baum- und Straucharten angepflanzt werden.
Art. 30
Forstliches Vermehrungsgut
1) Für forstliche Anpflanzungen dürfen nur Saatgut und Pflanzen verwendet werden, die gesund und standorttauglich sind.
2) Die Regierung regelt die Organisation der Versorgung mit forstlichem Vermehrungsgut.
B. Planung
Art. 31
Landesforstinventar
Die Regierung erstellt periodisch ein Landesforstinventar, das die wesentlichen Daten der Forstinventur, die allgemeinen Planungs- und Bewirtschaftungsvorschriften, wie die Wirtschaftsziele, den Hiebsatz sowie die Pflege und Nutzung der Wälder nach dem Grundsatz der ökologischen Nachhaltigkeit enthält.
Art. 32
Betriebsplan der Gemeinden
1) Auf der Grundlage des Landesforstinventars erstellen die Gemeinden für die öffentlichen Waldungen ihres Hoheitsgebietes nach Anhören der Waldeigentümer periodisch Betriebspläne, welche für die Pflege und Nutzung verbindlich sind.
2) Die Betriebspläne der Gemeinden bedürfen der Genehmigung der Regierung.
Art. 33
Betriebsgutachten und Beratung
1) Das Land und die Gemeinden unterstützen den Zusammenschluss von Privatwäldern zur gemeinsamen Bewirtschaftung, sofern diese im Rahmen eines Betriebsgutachtens erfolgt.
2) Das Betriebsgutachten legt das Waldbauziel, den Hiebsatz und die minimalen Massnahmen zur Erhaltung und Pflege des Waldes fest.
3) Das Landesforstamt und die Gemeindeförster haben die Eigentümer von Privatwaldungen unentgeltlich zu beraten und ihnen bei der sachgemässen Pflege und Nutzung behilflich zu sein.
4) Eigentümer von Privatwaldungen haben Massnahmen zur Erhaltung und Pflege des Waldes sowie zur Verhütung und Bekämpfung von Krankheiten und Schädlingen durch die Gemeindeförster zu dulden, sofern daraus für sie keine Kostenfolgen entstehen.
Art. 34
Forstrechnung
Die Gemeinden haben für die öffentlichen Waldungen ihres Hoheitsgebietes eine forstliche Betriebsabrechnung nach den Weisungen der Regierung zu führen. Sie stellen diese jährlich dem Landesforstamt zur Erstellung des Rechenschaftsberichtes der Regierung und zu statistischen Zwecken zur Verfügung.
V. Förderungsmassnahmen
A. Ausbildung, Beratung und Grundlagenbeschaffung
Art. 35
Aus- und Weiterbildung; Forschung
1) Die Regierung unterstützt die Aus- und Weiterbildung der mit Aufgaben nach diesem Gesetz betrauten Personen. Zu diesem Zweck kann sie sich an ausländischen Försterschulen beteiligen.
2) Sie kann Forschungsarbeiten in Auftrag geben, unterstützen oder sich an solchen beteiligen.
Art. 36
Erhebungen
1) Die Regierung sorgt für periodische Erhebungen über die Waldstandorte, die Funktionen und den Zustand des Waldes, über die Produktion und die Verwertung des Holzes sowie über die Strukturen und die wirtschaftliche Lage der Wald- und Holzwirtschaft.
2) Die Waldeigentümer sowie die verantwortlichen Organe von Betrieben der Wald- und Holzwirtschaft müssen den Behörden die hierzu erforderlichen Auskünfte erteilen und nötigenfalls Abklärungen dulden.
3) Personen, die mit der Durchführung oder der Auswertung von Erhebungen betraut sind, unterstehen dem Amtsgeheimnis.
Art. 37
Information
Die Regierung informiert die Öffentlichkeit über die Bedeutung und den Zustand des Waldes sowie über die Wald- und Holzwirtschaft.
B. Finanzierung
Art. 38
Grundsätze
1) Der Staat fördert Massnahmen zur Walderhaltung und zum Schutz vor Naturereignissen.
2) Finanzielle Leistungen können davon abhängig gemacht werden, dass
a) sich die Waldeigentümer an den Kosten beteiligen,
b) der Empfänger im Einzelfall eine Eigenleistung erbringt, die in einem angemessenen Verhältnis zu der ihm zumutbaren Selbsthilfe steht,
c) Dritte, insbesondere Nutzniesser und Schadenverursacher, zur Mitfinanzierung herangezogen werden,
d) die Massnahmen wirtschaftlich und fachkundig durchgeführt werden,
e) eine dauerhafte, für die Walderhaltung günstige Regelung von Konflikten getroffen wird.
3) Unrechtmässig bezogene finanzielle Leistungen sind zurückzuerstatten.
Art. 39
Schutz vor Naturereignissen
Der Staat leistet Abgeltung von 80 % der Kosten an Massnahmen zum Schutz vor Naturereignissen, namentlich für:
a) die Erstellung und Wiederinstandstellung von Schutzbauten und Anlagen,
b) die Schaffung von Wald mit besonderer Schutzfunktion sowie die entsprechende Jungwaldpflege.
Art. 40
Verhütung und Behebung von Waldschäden
Der Staat leistet Abgeltung von 50 % der Kosten an Massnahmen, die zur Verhütung und Behebung von Waldschäden angeordnet werden, namentlich an die Kosten für:
a) die Verhütung von ausserordentlichen Waldschäden durch Krankheiten, Schädlinge und Schadstoffe, welche die Erhaltung des Waldes gefährden,
b) die Behebung von Waldschäden nach Bst. a und von Schäden, die durch Naturereignisse entstanden sind sowie die sich daraus ergebenden Zwangsnutzungen.
Art. 41
Bewirtschaftung des Waldes
1) Im Schutzwaldbereich leistet der Staat Abgeltung von 85 %, die Hoheitsgemeinden von wenigstens 7 1/2 % der Kosten folgender Massnahmen:
a) befristete, minimale Pflegemassnahmen, die zur Erhaltung der Schutzfunktion erforderlich sind und von den Behörden angeordnet werden,
b) waldbauliche Massnahmen in verlichteten, instabilen und zerstörten Wäldern mit besonderer Schutzfunktion, deren Gesamtkosten nicht gedeckt sind und die von den Behörden angeordnet werden,
c) die Wald-Weide-Trennung.
2) Der Staat leistet Finanzhilfen von 50 % an die Kosten von Bewirtschaftungsmassnahmen, wie
a) die Wildschadenverhütung,
b) die Erstellung des Landesforstinventars, von Betriebsplänen und Betriebsgutachten,
c) befristete waldbauliche Massnahmen im Privatwald wie Pflege, Holznutzung und -bringung in Höhe des nicht gedeckten Aufwandes,
d) die Erstellung oder Anschaffung sowie die Wiederinstandstellung von Erschliessungsanlagen, die für die Bewirtschaftung des Waldes erforderlich sind,
e) die Erstellung von Gefahrenzonenplänen.
3) Der Staat leistet Beiträge von 30 % an die Besoldung der Gemeindeförster.
4) Der Staat leistet an die Kosten der Weiterbildung der Gemeindeförster Beiträge von 50 %, an diejenige der Forstwarte und Waldarbeiter 30 %.
VI. Organisation und Durchführung
Art. 42
Grundsatz
Mit der Durchführung dieses Gesetzes sind betraut:
a) die Regierung,
b) die Gemeinden,
c) das Landesforstamt.
Art. 43
Regierung
1) Der Regierung obliegen insbesondere
a) die Überwachung des Vollzugs dieses Gesetzes und der dazu erlassenen Verordnungen,
b) die Erteilung von Ausnahmebewilligungen für Waldrodungen (Art. 6),
c) die Erteilung von Ausnahmebewilligungen für Ausbeutungen und Ablagerungen (Art. 11),
d) die Ausscheidung von Waldreservaten (Art. 12)
e) die Einschränkung der Zugänglichkeit für Waldgebiete sowie die Bewilligungspflicht für Veranstaltungen im Wald (Art. 15),
f) die Erteilung von Ausnahmebewilligungen für das Befahren von Wald und Waldwegen (Art. 16),
g) die Ergreifung von Massnahmen gegen die Ursachen und Folgen von Waldschäden und Katastrophen (Art. 18),
h) die Erteilung von Bewilligungen für einen verringerten Waldrandabstand (Art. 19),
i) die Anordnung von Verhütungs- und Bekämpfungsmassnahmen vor Schädlings- und Krankheitsbefall des Waldes (Art. 21),
k) der Erlass von örtlichen und zeitlichen Feuerverboten (Art. 22),
l) die Ergreifung von Massnahmen zur Verhütung von Wildschäden (Art. 23),
m) die Sicherung der Anrissgebiete von Lawinen sowie der Rutsch-, Erosions- und Steinschlaggebiete (Art. 24),
n) die Sicherstellung einer minimalen Pflege des Waldes (Art. 26),
o) die Organisation der Versorgung mit forstlichem Vermehrungsgut (Art. 30),
p) die Erstellung eines Landesforstinventars (Art. 31),
q) die Genehmigung der Betriebspläne der Gemeinden (Art. 32),
r) die Unterstützung des Zusammenschlusses von Privatwäldern zur gemeinsamen Bewirtschaftung (Art. 33),
s) die Unterstützung der Aus- und Weiterbildung sowie der Forschung (Art. 35),
t) die Erstellung von periodischen Erhebungen über die Waldstandorte, die Funktionen und den Zustand des Waldes (Art. 36),
u) die Information der Öffentlichkeit (Art. 37).
2) Die Regierung kann mit Verordnung Geschäfte nach Abs. 1 an ihr unterstellte Organe übertragen.
Art. 44
Gemeinden
1) Den Gemeinden obliegen insbesondere
a) die Einreichung von Rodungsgesuchen (Art. 6),
b) die Abgrenzung von Wald- und Bauzonen (Art. 9),
c) die Kennzeichnung der Anrissgebiete von Lawinen- sowie Rutsch-, Erosions- und Steinschlaggebieten als Gefahrenzonen in den Zonenplänen (Art. 25),
d) die Erstellung von Betriebsplänen (Art. 32),
e) die Unterstützung des Zusammenschlusses von Privatwäldern zur gemeinsamen Bewirtschaftung (Art. 33),
f) die Führung einer forstlichen Betriebsabrechnung sowie die Erstellung eines jährlichen Rechenschaftsberichtes (Art. 34).
2) Die Gemeinden richten einen Forstbetrieb ein, dem ein Gemeindeförster vorsteht, welcher Inhaber eines Diploms einer durch die Regierung anerkannten Försterschule sein muss. Die Wahl, Anstellung und Entlassung eines Gemeindeförsters bedürfen der Genehmigung der Regierung.
Art. 45
Landesforstamt
Dem Landesforstamt obliegen insbesondere
a) die Waldfeststellung (Art. 8),
b) die Festlegung der Waldgrenze (Art. 9),
c) die Entscheidung über die Zuordnung eingewachsener Flächen (Art. 9),
d) die Bewilligung von Neubewaldungen (Art. 13),
e) die Entscheidung über die zu treffenden Verhütungs- und Schutzmassnahmen gegen Wildschäden (Art. 23),
f) die Holzanzeichnung im öffentlichen Wald (Art. 27),
g) die Mitwirkung an Betriebsgutachten sowie die Beratung von Eigentümern von Privatwaldungen (Art. 33).
VII. Verfahren und Rechtsmittel
Art. 46
Rechtsmittel
1) Gegen Verfügungen der Gemeinden und des Landesforstamtes kann binnen 14 Tagen ab Zustellung Beschwerde bei der Regierung erhoben werden.
2) Gegen Entscheidungen der Regierung kann binnen 14 Tagen ab Zustellung Beschwerde bei der Verwaltungsbeschwerdeinstanz erhoben werden.
Art. 47
Zwangsmassnahmen
Werden Verstösse gegen Vorschriften dieses Gesetzes oder der dazu erlassenen Verordnungen festgestellt und wird trotz Mahnung und Fristsetzung keine Abhilfe geschaffen, so trifft die zuständige Behörde die entsprechende Verfügung. Wird dieser nicht nachgekommen, kann nötigenfalls die ersatzweise Ausführung anstelle und auf Gefahr und Kosten des Verpflichteten angeordnet werden.
Art. 48
Anzeigepflicht
Personen, die mit Aufgaben nach diesem Gesetz betraut sind und die eine Widerhandlung im Sinne von Art. 49 wahrnehmen oder davon dienstlich Kenntnis erhalten, sind verpflichtet, sie bei der Staatsanwaltschaft zur Anzeige zu bringen.
VIII. Strafbestimmungen
Art. 49
Landgericht
1) Wer vorsätzlich ohne Berechtigung rodet, durch unwahre oder unvollständige Angaben oder in anderer Weise für sich oder einen anderen eine Leistung erwirkt, die ihm nicht zusteht oder eine vorgeschriebene Erhaltung und Schaffung von Wald unterlässt oder verhindert, ist vom Landgericht wegen Vergehens mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen zu bestrafen.
2) Bei fahrlässiger Begehung werden die Strafobergrenzen auf die Hälfte herabgesetzt.
Art. 50
Regierung
1) Wer vorsätzlich in anderer Weise gegen die Bestimmungen dieses Gesetzes oder der dazu erlassenen Verordnungen verstösst, ist von der Regierung mit Geldstrafe bis zu 50 000 Franken zu bestrafen.
2) Bei fahrlässiger Begehung werden die Strafobergrenzen auf die Hälfte herabgesetzt.
Art. 51
Verantwortlichkeit
Werden Widerhandlungen im Geschäftsbetrieb einer juristischen Person oder einer Kollektiv- oder Kommanditgesellschaft oder einer Einzelfirma begangen, finden die Strafbestimmungen auf die Personen Anwendung, die für sie gehandelt haben oder hätten handeln sollen, jedoch unter solidarischer Mithaftung der juristischen Person, der Gesellschaft oder der Einzelfirma für die Geldstrafen und Kosten.
IX. Schlussbestimmungen
Art. 52
Durchführungsverordnungen
Die Regierung erlässt die zur Durchführung dieses Gesetzes notwendigen Verordnungen.
Art. 53
Aufhebung bisherigen Rechts
Es werden aufgehoben:
a) Waldordnung vom 8. Oktober 1865, LGBl. 1866 Nr. 2;
b) Gesetz vom 12. August 1896 betreffend die Anlage von Bannwäldern, LGBl. 1896 Nr. 5;
c) Gesetz vom 24. Januar 1903 betreffend die Abänderung der Waldordnung, LGBl. 1903 Nr. 2;
d) Gesetz vom 12. Januar 1917 betreffend die teilweise Abänderung des § 25 der Waldordnung vom 8. Oktober 1865, LGBl. 1917 Nr. 4;
e) Gesetz vom 6. Juni 1957 über die teilweise Abänderung des § 3 der Waldordnung vom 8. Oktober 1865, in der Fassung des Gesetzes vom 24. Januar 1903, LGBl. 1903 Nr. 2, und die Abänderung des Gesetzes vom 3. Mai 1927, LGBl. 1927 Nr. 4, über die Neufestsetzung der Waldaufsehergehalte, LGBl. 1957 Nr. 11;
f) Gesetz vom 19. November 1980 betreffend die Abänderung des Gesetzes über die teilweise Abänderung von § 3 der Waldordnung, LGBl. 1981 Nr. 4;
g) Verordnung vom 8. März 1944 betreffend Windschutzpflanzungen, LGBl. 1944 Nr. 6;
h) Verordnung vom 25. September 1952 betreffend die Triesenberger Bannwälder, LGBl. 1952 Nr. 23;
i) Verordnung vom 20. Dezember 1965 zur Waldordnung, LGBl. 1966 Nr. 5;
k) Verordnung vom 1. Juli 1968 über die Sanierung der Alp- und Berggebiete, LGBl. 1968 Nr. 24, soweit sie auf Bestimmungen der Waldordnung vom 8. Oktober 1865 fussen.
Art. 54
Inkrafttreten
Dieses Gesetz tritt am Tage der Kundmachung in Kraft.
gez. Hans-Adam

gez. Hans Brunhart

Fürstlicher Regierungschef