214.111
Liechtensteinisches Landesgesetzblatt
Jahrgang 2007 Nr. 168 ausgegeben am 10. Juli 2007
Verordnung
vom 3. Juli 2007
zum Grundverkehrsgesetz (Grundverkehrsverordnung; GVV)
Aufgrund von Art. 35 des Grundverkehrsgesetzes vom 9. Dezember 1992, LGBl. 1993 Nr. 49, verordnet die Regierung:
I. Allgemeine Bestimmungen
Art. 1
Langfristige Miet- und Pachtverträge
1) Als langfristige Miet- und Pachtverträge nach Art. 2 Abs. 2 Bst. d des Grundverkehrsgesetzes (GVG) gelten solche, die einschliesslich einer einseitigen Option auf Verlängerung für eine Dauer von mehr als zehn Jahren oder auf unbestimmte Zeit abgeschlossen werden.
2) Ein Miet- oder Pachtvertrag gilt im Sinne von Abs. 1 auf unbestimmte Zeit abgeschlossen, wenn er:
a) erstmals nach einer Dauer von mehr als zehn Jahren nach dessen Abschluss oder nach Beginn des Miet- oder Pachtverhältnisses gekündigt werden kann; oder
b) vernünftigerweise von den Vertragsparteien aufgrund besonderer Umstände nicht vor Ablauf der ersten zehn Jahre der Vertragsdauer gekündigt wird.
Art. 2
Vorvertrag
Ein Vorvertrag im Sinne von § 936 ABGB unterliegt der grundverkehrsbehördlichen Genehmigung, wenn darin Rechte begründet werden, die nicht Gegenstand eines eigentlichen Vorvertrages sind, sondern dem Erwerb von Eigentum im Sinne von Art. 2 Abs. 2 GVG gleichgestellt sind.
Art. 3
Vorkaufsrecht
1) Bei der Ausübung eines gesetzlichen oder rechtsgeschäftlich begründeten Vorkaufsrechtes (Art. 2 Abs. 2 Bst. c GVG) ist das berechtigte Interesse im Sinne von Art. 5 und 6 GVG als vorhanden anzunehmen.
2) Steht dem Erwerber von Gesetzes wegen ein Vorkaufsrecht zum Erwerb von weiterem Eigentum an Grundstücken zu, ist das gesetzliche Vorkaufsrecht bei der Entscheidung, ob ein berechtigtes Interesse am beabsichtigten Erwerb des Eigentums an Grundstücken vorliegt, zu berücksichtigen.
Art. 4
Immobiliengesellschaften
1) Als juristische Personen und Gesellschaften ohne juristische Persönlichkeit, deren Vermögen ganz oder überwiegend aus Grundstücken besteht, gelten nach Art. 2 Abs. 2 Bst. e GVG solche, deren Aktiven zu mehr als zur Hälfte aus Rechten an Grundstücken bestehen, die im Inland liegen.
2) Die Bewertung von Rechten an Grundstücken im Inland und anderer im Inland gelegener Aktiven bestimmt sich nach dem Verkehrswert und nach den Bestimmungen der Verordnung über die amtlichen Grundstückschätzungen.
Art. 5
Aufenthalt
Als behördliche Bewilligung, die zum ununterbrochenen Aufenthalt im Inland nach Art. 4 Abs. 1 Bst. d GVG berechtigt, gilt die Aufenthaltsbewilligung nach der Personenverkehrsverordnung.
Art. 6
Wohnbedürfnis
1) Der Erwerb eines baureifen Grundstücks zur Deckung eines gegenwärtigen oder zukünftigen Wohnbedürfnisses nach Art. 6 Abs. 1 Bst. a und b GVG ist auf eine maximale Grösse von 400 Klafter beschränkt.
2) Das Vorliegen besonderer Umstände im Sinne von Art. 5 Abs. 2 GVG bleibt bei der Beurteilung des gegenwärtigen oder zukünftigen Wohnbedürfnisses vorbehalten.
Art. 7
Betriebsstätte
Als Betriebsstätte nach Art. 6 Abs. 1 Bst. d GVG gilt die ständige und betriebsnotwendige Geschäftseinrichtung eines Unternehmens.
Art. 8
Überbauung
Ein berechtigtes Interesse nach Art. 6 Abs. 1 Bst. f GVG ist nur dann vorhanden, wenn der Erwerber:
a) ein unbebautes baureifes Grundstück erwirbt, um es gemäss vorgelegtem Vorprojekt zu überbauen; oder
b) ein bebautes Grundstück erwirbt, um:
1. das darauf befindliche Gebäude abzubrechen und das Grundstück gemäss vorgelegtem Vorprojekt zu überbauen; oder
2. das darauf befindliche Gebäude in eine Überbauung gemäss vorgelegtem Vorprojekt zu integrieren.
Art. 9
Landwirtschaftliche Grundstücke
1) Jeder Landesangehörige kann nach Art. 6 Abs. 1 Bst. h GVG Boden, welcher der landwirtschaftlichen Nutzung vorbehalten ist, bis zu einer Grösse von maximal 500 Klafter erwerben.
2) Als Böden, die der landwirtschaftlichen Nutzung vorbehalten sind, gelten unabhängig von der Zonenzuteilung jene Grundstücke, bei welchen faktisch ausser der landwirtschaftlichen Nutzung keine andere Nutzung erlaubt ist.
II. Bedingungen und Auflagen
Art. 10
Genehmigung unter Auflagen und Bedingungen
1) Die grundverkehrsbehördliche Genehmigung kann insbesondere unter folgenden Auflagen erteilt werden:
a) im Falle der Genehmigung des Erwerbs von Grundstücken, die dem künftigen Wohnbedürfnis des Erwerbers (Art. 6 Abs. 1 Bst. b GVG) dienen:
1. ein Veräusserungsverbot für die Dauer von fünf Jahren ab Rechtskraft der Genehmigung;
2. ein befristetes Veräusserungsverbot für Unmündige nach Art. 18 Abs. 1 PGR bis zur Erreichung ihrer Volljährigkeit;
3. ein Veräusserungsverbot für Eltern, die für ihre unmündigen Kinder nach Art. 18 Abs. 1 PGR ein Grundstück erwerben, sowie die Verpflichtung, dieses Grundstück bei Erreichung der Volljährigkeit dem Kind zu übereignen;
b) im Falle der Genehmigung des Erwerbs von Grundstücken, die als Betriebsstätte nach Art. 6 Abs. 1 Bst. d GVG dienen:
1. ein Veräusserungsverbot für die Dauer von fünf Jahren ab Rechtskraft der Genehmigung;
2. die Verpflichtung, das Grundstück ausschliesslich und dauernd als Betriebsstätte für das eigene Unternehmen zu verwenden;
c) im Falle der Genehmigung des Erwerbs von Grundstücken, die dem sozialen Wohnungsbau nach Art. 6 Abs. 1 Bst. g GVG dienen:
1. ein Veräusserungsverbot für die Dauer von zehn Jahren ab Rechtskraft der Genehmigung;
2. die Verpflichtung, das Grundstück ausschliesslich und dauernd Zwecken des sozialen Wohnungsbaues zuzuführen;
d) im Falle der Genehmigung des Erwerbs von Grundstücken, die einer Überbauung mit Eigentumswohnungen oder Mietwohnungen nach Art. 6 Abs. 1 Bst. f GVG dienen, die Verpflichtung, die Überbauung innert bestimmter angemessener Frist zu beginnen und planmässig zu vollenden.
2) Die grundverkehrsbehördliche Genehmigung kann insbesondere unter der auflösenden Bedingung erteilt werden, dass - im Falle der Genehmigung des Erwerbs von Grundstücken, die der Deckung eines künftigen Wohnbedürfnisses (Art. 6 Abs. 1 Bst. b GVG) dienen - der Wohnsitz innert drei Jahren nach Erteilung der grundverkehrsbehördlichen Genehmigung nach Liechtenstein verlegt werden muss.
3) Bedingungen und Auflagen, die nicht zur Sicherstellung der Verwendung des Zweckes, den der Erwerber geltend macht, dienen, sondern das Vorliegen eines berechtigten Interesses am Erwerb von Eigentum an Grundstücken erst begründen, dürfen nur auf Antrag des Erwerbers erlassen werden.
4) Befristete Auflagen gelten mit Ablauf des festgesetzten Zeitraumes als aufgehoben und sind im Grundbuch oder Öffentlichkeitsregister von Amtes wegen zu löschen.
Art. 11
Widerruf von Auflagen und Feststellung der Erfüllung
1) Auflagen, deren Erfüllung sich für den Erwerber infolge veränderter Verhältnisse als unmöglich oder unzumutbar erweist, sind über Antrag des Erwerbers ganz oder teilweise zu widerrufen.
2) Über Antrag des Erwerbers ist die Erfüllung von Auflagen festzustellen und nötigenfalls deren Löschung im Grundbuch oder Öffentlichkeitsregister anzuordnen.
3) Die Entscheidung über Anträge nach Abs. 1 und 2 steht der Grundverkehrsbehörde, die den Erwerb genehmigt hat, zu und unterliegt der Beschwerde nach Art. 18 GVG.
4) Grundstücke, bei denen die Genehmigung des Erwerbs unter Auflage erteilt worden ist, dürfen erst weiter veräussert werden, wenn die Grundverkehrsbehörde, die ursprünglich den Erwerb unter Auflage genehmigt hat, der Veräusserung zustimmt.
III. Grundverkehrsbehörden und Verfahren
Art. 12
Sitzungen der Kommissionen
1) Die Gemeindegrundverkehrskommissionen und die Landesgrundverkehrskommission werden von ihren Vorsitzenden nach Bedarf einberufen. Ist ein Mitglied am Erscheinen verhindert, hat es dies unter Angabe des Hinderungsgrundes dem Vorsitzenden rechtzeitig bekannt zu geben.
2) Der Stellvertreter des Präsidenten der Landesgrundverkehrskommission kann, auch wenn er nicht den Vorsitz führt, bei den Sitzungen der Landesgrundverkehrskommission anwesend sein und Akteneinsicht nehmen.
3) Die Sitzungen der Gemeindegrundverkehrskommissionen finden in der Regel ohne Beisein der Vertragsparteien statt.
Art. 13
Feststellung der Genehmigungspflicht; Vorlagepflicht
1) Die zuständige Gemeindegrundverkehrsbehörde hat auf Antrag einer Vertragspartei festzustellen, ob der Erwerb von Grundstücken genehmigungspflichtig ist.
2) Rechtsgeschäfte sind im Sinne von Art. 15 GVG unter Verwendung des amtlichen Formulars und zusammen mit den darin angeführten Beilagen der zuständigen Gemeindegrundverkehrskommission vorzulegen. Das amtliche Formular kann bei den Gemeinden bezogen werden.
Art. 14
Genehmigungsvermerk und Verneinung der Genehmigungspflicht
1) Wenn das genehmigungspflichtige Rechtsgeschäft von der Gemeindegrundverkehrskommission oder im Beschwerdeverfahren von der Landesgrundverkehrskommission oder dem Verwaltungsgerichtshof genehmigt wird, ist auf der zur Eintragung bestimmten Urkunde ein vom Vorsitzenden zu unterzeichnender Genehmigungsvermerk anzubringen.
2) Ein entsprechender Vermerk ist auch anzubringen, wenn festgestellt wird, dass ein genehmigungspflichtiges Rechtsgeschäft nicht vorliegt.
Art. 15
Protokolle und Entscheidungen
1) Über jede Sitzung der Gemeindegrundverkehrskommission ist vom Vorsitzenden ein Protokoll zu führen. Das Protokoll ist sofort nach der Sitzung von allen anwesenden Mitgliedern zu unterschreiben.
2) Für die Abfassung des Protokolls und die Ausfertigung ihrer Entscheidungen haben die Gemeindegrundverkehrskommissionen die amtlichen Formulare zu verwenden.
Art. 16
Zustellung der Entscheidungen
1) Die zuständigen Gemeindegrundverkehrsbehörden haben jede Entscheidung, mit der über Antrag eine Ausnahme von der Genehmigungspflicht des Erwerbs von Grundstücken festgestellt oder der Erwerb von Grundstücken genehmigt wird, binnen acht Tagen der Regierung zuzustellen; ebenso haben sie binnen derselben Frist jede Entscheidung, mit der über Antrag die Genehmigungspflicht des Erwerbs von Grundstücken festgestellt oder der Erwerb von Grundstücken verweigert wird, an jede der Vertragsparteien zuzustellen. Der in Behandlung gezogene Vertrag ist in diesen letztgenannten Fällen dem Einreicher zurückzustellen.
2) Die von den Gemeindegrundverkehrsbehörden vorzunehmenden Zustellungen haben durch die Post mittels Rückschein zu erfolgen.
Art. 17
Beschwerderecht
Für die Ausübung des Beschwerde- und Gegenäusserungsrechtes nach Art. 18 Abs. 2 und 4 sowie Art. 20 Abs. 2 GVG ist das Ressort Inneres zuständig.
Art. 18
Beschwerdeschrift
Die von einer Vertragspartei erhobene Beschwerde gegen die Entscheidung der Gemeindegrundverkehrskommission ist in zweifacher Ausfertigung einzureichen. Bei einer Beschwerde der Regierung ist die Beschwerdeschrift in so vielen Ausfertigungen einzubringen, dass sowohl die entscheidenden Grundverkehrsbehörden als auch die beteiligten Verfahrensparteien eine Beschwerdeschrift erhalten.
Art. 19
Vermerk über Beschwerdeverzicht
Wenn die Regierung vom Beschwerderecht keinen Gebrauch macht, ist auf der zur Eintragung bestimmten Urkunde (Erstausfertigung) ein entsprechender Vermerk anzubringen und diese Urkunde an die Steuerverwaltung weiterzuleiten.
IV. Gebühren
Art. 20
Höhe der Entscheidungsgebühren
1) Für Entscheidungen im Verfahren vor der Gemeindegrundverkehrskommission ist, je nach Zeitaufwand, eine Gebühr von 50 Franken bis 100 Franken zu erheben.
2) Für Entscheidungen im Verfahren vor der Landesgrundverkehrskommission und vor dem Verwaltungsgerichtshof gelten die Bestimmungen über die Entscheidungsgebühr im zweitinstanzlichen Verfahren in Ausserstreitsachen des Gerichtsgebührengesetzes.
3) Wird die grundverkehrsbehördliche Genehmigung des Rechtsgeschäftes unter Bedingungen und Auflagen im Beschwerdeverfahren vor der Landesgrundverkehrskommission und dem Verwaltungsgerichtshof erteilt, so wird dem Beschwerdeführer im Falle des nicht vollständigen Obsiegens die Hälfte der Entscheidungsgebühr nach Abs. 2 auferlegt.
4) Die Gebühren nach Abs. 1 fliessen in die Gemeindekasse, die nach Abs. 2 in die Landeskasse.
5) Die Geltendmachung eines Ersatzanspruches für Partei- und Vertretungskosten ist in jedem Falle ausgeschlossen.
V. Übergangs- und Schlussbestimmungen
Art. 21
Hängige Rechtsgeschäfte
Vor dem Inkrafttreten dieser Verordnung abgeschlossene Rechtsgeschäfte sind nach bisherigem Recht zu behandeln.
Art. 22
Aufhebung bisherigen Rechts
Es werden aufgehoben:
a) Verordnung vom 4. März 1975 zum Grundverkehrsgesetz, LGBl. 1975 Nr. 23;
b) Verordnung vom 18. Dezember 2001 über die Abänderung der Verordnung zum Grundverkehrsgesetz, LGBl. 2001 Nr. 196.
Art. 23
Inkrafttreten
Diese Verordnung tritt am Tage der Kundmachung in Kraft.

Fürstliche Regierung:

gez. Otmar Hasler

Fürstlicher Regierungschef