952.3
Liechtensteinisches Landesgesetzblatt
Jahrgang 2010 Nr. 464 ausgegeben am 30. Dezember 2010
Gesetz
vom 25. November 2010
über die Abänderung des Finanzmarktaufsichtsgesetzes
Dem nachfolgenden vom Landtag gefassten Beschluss erteile Ich Meine Zustimmung: 1
I.
Abänderung bisherigen Rechts
Das Gesetz vom 18. Juni 2004 über die Finanzmarktaufsicht (Finanzmarktaufsichtsgesetz; FMAG), LGBl. 2004 Nr. 175, in der geltenden Fassung, wird wie folgt abgeändert:
Überschrift vor Art. 27a
IVa. Zusammenarbeit mit ausländischen Behörden im Bereich der
Wertpapieraufsicht
Art. 27a
Grundsatz
1) Die FMA leistet einer zuständigen ausländischen Behörde Amtshilfe oder kann ihrerseits eine zuständige Behörde um Amtshilfe ersuchen, soweit dies zur Durchsetzung der Wertpapieraufsicht erforderlich ist, insbesondere in Bezug auf die Einhaltung der Vorschriften betreffend:
a) Insiderhandel, Marktmanipulation, falsche Darstellung von wesentlichen Informationen, Anlagebetrug, Wertpapierbetrug, andere betrügerische oder manipulative Praktiken im Finanzmarktbereich, einschliesslich Angebotspraktiken und Umgang mit Investorengeldern und Kundenaufträgen im Wertpapierbereich;
b) die Eintragung, die Emission, den Handel, die Beratung, das Management, die Verwaltung, die Aufbewahrung sowie die Veröffentlichung von Beteiligungen an Wertpapieren und sonstigen Finanzinstrumenten;
c) Übernahmeangebote oder die Erlangung von Einfluss auf Finanzintermediäre;
d) Veröffentlichungs- und Meldepflichten der Emittenten und der Anbieter von Wertpapieren und sonstigen Finanzinstrumenten;
e) die Überwachung von Finanzmärkten, einschliesslich Börsen, Clearing- und Abrechnungseinrichtungen sowie OTC-Transaktionen in Wertpapieren und sonstigen Finanzinstrumenten, welche an einem überwachten Markt zugelassen sind;
f) die Bekämpfung von Geldwäscherei, organisierter Kriminalität und Terrorismusfinanzierung, sofern ein Zusammenhang mit der Wertpapieraufsicht besteht;
g) die Tätigkeit von Finanzintermediären, sofern ein Zusammenhang mit der Wertpapieraufsicht besteht.
2) Die Amtshilfe im Sinne von Abs. 1 umfasst die Zusammenarbeit und den Informationsaustausch mit den zuständigen ausländischen Behörden.
3) Die Bestimmungen dieses Kapitels gehen anderen gesetzlichen Vorschriften über die Amtshilfe mit ausländischen Behörden im Bereich der Wertpapieraufsicht vor.
Art. 27b
Zuständigkeit der ersuchenden ausländischen Behörde
Die ersuchende ausländische Behörde muss nach der für sie geltenden nationalen Gesetzgebung zuständig sein:
a) Wertpapieraufsicht auszuüben; insbesondere muss sie mit Aufgaben betraut sein, die den in Art. 27a Abs. 1 genannten Bereichen entsprechen; und
b) Amtshilfeersuchen an die FMA zu stellen.
Art. 27c
Form und Inhalt des Ersuchens
1) Ersuchen sind in schriftlicher Form an die FMA zu stellen.
2) In dringenden Fällen kann ein Ersuchen mündlich, per E-Mail oder Fax gestellt werden. Sofern die FMA nicht darauf verzichtet, muss ein schriftliches Ersuchen, welches die in Abs. 3 genannten Erfordernisse erfüllt, nachgereicht werden.
3) Das Ersuchen muss folgende Angaben enthalten:
a) die Bezeichnung der ersuchenden ausländischen Behörde;
b) eine Darstellung des relevanten Sachverhalts;
c) eine konkrete Bezeichnung der verlangten Informationen;
d) den Grund des Ersuchens;
e) die im Staat der ersuchenden ausländischen Behörde verletzten Rechtsvorschriften.
4) Ersuchen können in beliebiger Sprache gestellt werden. Die ausländische Behörde hat eine Übersetzung in deutscher oder englischer Sprache beizulegen.
Art. 27d
Erforderlichkeit des Ersuchens
Die FMA leistet einer ersuchenden ausländischen Behörde Amtshilfe nur, wenn die verlangten Informationen nachweislich für die Ausübung der Wertpapieraufsicht der ersuchenden ausländischen Behörde erforderlich sind.
Art. 27e
Ausschliesslichkeit der Weiterleitung von Informationen
1) Eine Weiterleitung von Informationen durch die ersuchende ausländische Behörde ist nur zulässig nach vorgängiger schriftlicher Zustimmung durch die FMA.
2) Abs. 1 gilt sinngemäss für die Weiterleitung auf dem Amtshilfeweg erhaltener Informationen durch die FMA.
3) Verstösst die ersuchende Behörde gegen das Gebot der Ausschliesslichkeit, so darf die FMA so lange keine weiteren Ersuchen dieser Behörde mehr bewilligen, bis diese dargelegt hat, dass Massnahmen ergriffen wurden, die solche Weiterleitungen in Zukunft verhindern.
Art. 27f
Ablehnungsgründe
1) Die FMA hat ein Ersuchen einer zuständigen ausländischen Behörde abzulehnen, wenn die Voraussetzungen nach Art. 27a bis 27e nicht erfüllt sind. Sie kann ein Ersuchen der zuständigen ausländischen Behörde ablehnen, wenn:
a) dadurch die Souveränität, die Sicherheit oder die öffentliche Ordnung Liechtensteins beeinträchtigt werden könnte;
b) aufgrund desselben Sachverhalts gegen die betreffende Person bereits ein Verfahren vor einem liechtensteinischen Strafgericht anhängig ist; oder
c) aufgrund desselben Sachverhalts gegen die betreffende Person bereits ein rechtskräftiges Urteil eines liechtensteinischen Strafgerichts ergangen ist.
2) Lehnt die FMA ein Ersuchen aufgrund der Bestimmung des Abs. 1 ab, so teilt sie dies der ersuchenden ausländischen Behörde unverzüglich mit und legt die Gründe dar. Im Fall einer Ablehnung nach Abs. 1 Bst. b oder c sind genaue Informationen über das gerichtliche Verfahren oder das rechtskräftige Urteil zu übermitteln.
Art. 27g
Richterliche Überprüfung des Ersuchens
1) Stellt die FMA bei der Überprüfung des Ersuchens fest, dass kein Ablehnungsgrund nach Art. 27f vorliegt, so leitet sie das Ersuchen unverzüglich an den zuständigen Richter des Verwaltungsgerichtshofes weiter und beantragt die Genehmigung des Vollzugs der Amtshilfe.
2) Der zuständige Richter des Verwaltungsgerichtshofes prüft, ob die Anforderungen an das Ersuchen nach Art. 27a bis 27e erfüllt sind und kein Ablehnungsgrund gemäss Art. 27f Abs. 1 Bst. b und c vorliegt, und entscheidet als Einzelrichter innert fünf Arbeitstagen über den Antrag der FMA. Über die Genehmigung des Vollzugs der Amtshilfe wird keine gesonderte Verfügung erlassen.
Art. 27h
Beschaffung von Informationen
1) Genehmigt der zuständige Richter des Verwaltungsgerichtshofes den Vollzug der Amtshilfe, so ist die FMA befugt, die ersuchten Informationen bei derjenigen Person zu beschaffen, welche über diese Informationen verfügt (Informationsinhaber).
2) Der Informationsinhaber wird von der FMA schriftlich benachrichtigt über:
a) die richterliche Genehmigung des Vollzugs der Amtshilfe;
b) Name und Adresse der ersuchenden ausländischen Behörde;
c) die verlangten Informationen;
d) den dem Ersuchen zugrunde liegenden Sachverhalt in zusammengefasster Form;
e) die Rechtsvorschriften, die nach Ansicht der ersuchenden Behörde möglicherweise verletzt worden sind;
f) die Informationssperre nach Abs. 4.
3) Die vom Ersuchen betroffene Person und der Informationsinhaber haben bis zum Erlass der Schlussverfügung nach Art. 27k Abs. 1 und 2 bzw. bis zur Mitteilung nach Art. 27i Abs. 3 kein Akteneinsichtsrecht.
4) Handelt es sich beim Informationsinhaber nicht um die vom Ersuchen der zuständigen ausländischen Behörde betroffene Person, so ist ihm untersagt, die betroffene Person oder Dritte über das Ersuchen zu informieren. Diese Informationssperre gilt bis zu deren Aufhebung durch die FMA; der Informationsinhaber wird von der FMA hierüber informiert.
5) Dem Informationsinhaber steht für die Herausgabe der verlangten Informationen eine Frist von zehn Tagen ab Erhalt der Mitteilung nach Abs. 2 zur Verfügung. In besonders komplexen Fällen kann die FMA die Frist um bis zu 30 Tage verlängern.
6) Verweigert ein Informationsinhaber die Herausgabe von Informationen, so erlässt die FMA eine Vollstreckungsverfügung im Sinne einer prozessleitenden Verfügung; diese ist sofort vollstreckbar. Die FMA kann unmittelbaren Verwaltungszwang nach Art. 131ff. des Gesetzes über die allgemeine Landesverwaltungspflege anwenden.
7) Die Vollstreckungsverfügung enthält die Angaben nach Art. 27h Abs. 2.
8) Die Vollstreckungsverfügung und Massnahmen des unmittelbaren Verwaltungszwangs können nur nach Art. 27k Abs. 2 angefochten werden.
Art. 27i
Übermittlung der Informationen und Schlussverfügung
1) Die FMA sichtet die nach Art. 27h beschafften Informationen und übermittelt die relevanten Informationen an die zuständige Behörde. Die FMA erlässt dazu eine Schlussverfügung.
2) Die FMA hat der betroffenen Person nach Rücksprache mit der ersuchenden ausländischen Behörde, spätestens jedoch zwei Jahre nach Eingang des Ersuchens, die Schlussverfügung zuzustellen, die insbesondere zu enthalten hat:
a) Name und Adresse der ersuchenden Behörde;
b) Angaben zu den verlangten und übermittelten Informationen;
c) eine Zusammenfassung des dem Ersuchen zugrunde liegenden relevanten Sachverhalts;
d) die Angabe der Rechtsvorschriften, welche nach Ansicht der ersuchenden Behörde möglicherweise verletzt worden sind;
e) die Angabe darüber, dass der Vollzug der Amtshilfe richterlich genehmigt wurde;
f) Angaben zu Vollstreckungsverfügungen und Massnahmen des unmittelbaren Verwaltungszwangs der FMA.
3) Die FMA informiert den Informationsinhaber gleichzeitig mit der Zustellung der Schlussverfügung an die betroffene Person über:
a) die Aufhebung der Informationssperre nach Art. 27h Abs. 4; und
b) die Beschwerdemöglichkeit gegen Vollstreckungsverfügungen und Massnahmen des unmittelbaren Verwaltungszwangs nach Art. 27h Abs. 8.
Art. 27k
Nachträgliche Beschwerde
1) Die betroffene Person kann gegen die Schlussverfügung der FMA binnen 14 Tagen ab Zustellung Beschwerde an die FMA-Beschwerdekommission erheben.
2) Der Informationsinhaber kann gegen die Vollstreckungsverfügung oder Massnahmen des unmittelbaren Verwaltungszwangs der FMA binnen 14 Tagen ab der Mitteilung der Informationen nach Art. 27i Abs. 3 Bst. b Beschwerde an die FMA-Beschwerdekommission erheben.
Art. 27l
Verletzung der Pflicht zur Informationssperre
Vom Landgericht wird wegen Vergehen mit Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten oder mit Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen bestraft, wer vorsätzlich die Pflicht zur Informationssperre nach Art. 27h Abs. 4 verletzt.
II.
Inkrafttreten
Dieses Gesetz tritt unter Vorbehalt des ungenutzten Ablaufs der Referendumsfrist am 1. Januar 2011 in Kraft, andernfalls am Tage der Kundmachung.

In Stellvertretung des Landesfürsten:

gez. Alois

Erbprinz

gez. Dr. Klaus Tschütscher

Fürstlicher Regierungschef

1   Bericht und Antrag sowie Stellungnahme der Regierung Nr. 92/2010 und 124/2010