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Liechtensteinisches Landesgesetzblatt
Jahrgang 2007 Nr. 139 ausgegeben am 27. Juni 2007
Gesetz
vom 26. April 2007
über den Schutz der Bevölkerung (Bevölkerungsschutzgesetz; BSchG)
Dem nachstehenden vom Landtag gefassten Beschluss erteile Ich Meine Zustimmung:
I. Allgemeine Bestimmungen
Art. 1
Gegenstand
1) Dieses Gesetz regelt:
a) die Vorbereitung, Durchführung und Finanzierung von Massnahmen zum Schutz der Bevölkerung und ihrer Lebensgrundlagen bei normalen, besonderen und ausserordentlichen Lagen; und
b) die Organisation und die Zuständigkeiten im Bereich des Bevölkerungsschutzes.
2) Vorbehalten bleiben die Bestimmungen der jeweiligen Spezialgesetzgebungen, insbesondere des Feuerwehrgesetzes und des Polizeigesetzes, sowie die aufgrund des Zollvertrages oder anderer staatsvertraglicher Vereinbarungen in Liechtenstein anwendbaren Vorschriften.
Art. 2
Zielsetzung des Bevölkerungsschutzes
Die mit der Durchführung dieses Gesetzes betrauten Organe richten ihr Handeln bei normalen, besonderen und ausserordentlichen Lagen nach folgenden Zielen aus:
a) Schutz der Bevölkerung und ihrer Lebensgrundlagen;
b) Vorbereitung auf Schadenereignisse sowie deren Begrenzung und Bewältigung;
c) Wahrung der Handlungsfreiheit;
d) Wiederherstellung geordneter Verhältnisse.
Art. 3
Begriffsbestimmungen; Bezeichnungen
1) Im Sinne dieses Gesetzes bedeuten:
a) "normale Lage": eine Situation, in der sämtliche Aufgaben bewältigt werden können:
1. selbständig durch die betroffene Gemeinde im Rahmen der ordentlichen Abläufe mit eigenen Einsatzmitteln;
2. durch die zuständigen Rettungs- und Hilfsdienste des Landes und der Gemeinden;
b) "besondere Lage": eine Situation:
1. in der bestimmte Aufgaben durch die betroffene Gemeinde im Rahmen der ordentlichen Abläufe mit eigenen Einsatzmitteln nicht selbstständig bewältigt werden können;
2. die aufgrund besonderer Umstände von der betroffenen Gemeinde oder von mehreren Gemeinden als kritisch eingeschätzt wird; und
3. einer Lagebeurteilung von Fachleuten bedarf;
c) "ausserordentliche Lage": eine Situation:
1. in der in zahlreichen Bereichen die ordentlichen Abläufe nicht genügen, um die anstehenden Aufgaben zu bewältigen;
2. die mit den für die normale Lage bestimmten Mitteln und Befugnissen allein nicht mehr bewältigt werden kann; und
3. die den Einsatz überörtlicher und externer Hilfe erfordert.
2) Wird in diesem Gesetz der Begriff Schadenereignis verwendet, so sind darunter die Lagen nach Abs. 1 zu verstehen.
3) Unter den in diesem Gesetz verwendeten Personen- und Funktionsbezeichnungen sind Angehörige des männlichen und weiblichen Geschlechts zu verstehen.
Art. 4
Aufgaben
Aufgaben des Bevölkerungsschutzes sind der Schutz und die Rettung von Menschen und ihren Lebensgrundlagen sowie die Hilfeleistung bei Schadenereignissen insbesondere durch:
a) die Ausbildung von Einsatzkräften, die Sicherstellung der Notfall- und Einsatzplanung und die Bereitstellung des erforderlichen Personals und der erforderlichen Sachmittel;
b) die Einleitung von Sofortmassnahmen;
c) die Information der Bevölkerung;
d) die Koordination und Durchführung von Einsätzen der Rettungs- und Hilfsdienste und die Sicherstellung der Kommunikation;
e) die Planung, Koordination und Umsetzung von Massnahmen zur Wiederherstellung der Infrastruktur.
II. Organisation und Zuständigkeiten
A. Im Allgemeinen
Art. 5
Verbundsystem
Der Bevölkerungsschutz beruht auf einem Verbundsystem, das sich zusammensetzt aus:
a) den Führungsorganen der Gemeinden und des Landes;
b) den zuständigen Verwaltungsbehörden der Gemeinden und des Landes;
c) den entsprechenden Rettungs- und Hilfsdiensten; und
d) den für spezielle Aufgaben aufgebotenen Personen nach Art. 31.
Art. 6
Führungsstrukturen
1) Die Führung des Bevölkerungsschutzes obliegt:
a) bei normalen Lagen:
1. den zuständigen Gemeindeorganen; oder
2. einer Einsatzorganisation, soweit die zuständigen Organe der Gemeinde dieser die Durchführung von Massnahmen des Bevölkerungsschutzes überträgt;
b) bei besonderen und ausserordentlichen Lagen:
1. dem Landesführungsstab; oder
2. einem technischen Einsatzleiter, soweit der Landesführungsstab diesem die Durchführung von Massnahmen des Bevölkerungsschutzes überträgt.
2) Bei normalen Lagen bleiben Einsätze der Landespolizei und der übrigen landeseigenen Rettungs- und Hilfsdienste vorbehalten.
3) Die Regierung regelt das Nähere mit Verordnung.
B. Regierung
Art. 7
Grundsatz
1) Die Regierung nimmt die politische Führung im Bereich des Bevölkerungsschutzes wahr.
2) Sie beaufsichtigt den Vollzug von Aufgaben im Bereich des Bevölkerungsschutzes durch andere im Rahmen des Verbundsystems (Art. 5) tätige Behörden und Einrichtungen des Landes und der Gemeinden sowie Private.
3) Sie stellt - sofern dies möglich ist - den Eintritt und jedenfalls das Ende einer ausserordentlichen Lage fest und bezeichnet das betroffene Gebiet.
Art. 8
Internationale Hilfe
Die Regierung kann auf Antrag des Landesführungsstabs oder der zuständigen Gemeindeorgane bei ausländischen Staaten ein Ersuchen um Gewährung von Hilfeleistungen stellen.
C. Landesführungsstab
Art. 9
Bestellung und Zusammensetzung
1) Die Regierung errichtet eine besondere Kommission als Landesführungsstab.
2) Der Landesführungsstab besteht aus sechs stimmberechtigten Mitgliedern. Dazu gehören:
a) das nach der Geschäftsverteilung für den Bevölkerungsschutz zuständige Regierungsmitglied als Vorsitzender;
b) je ein Vertreter der Landespolizei, des Amtes für Bevölkerungsschutz, des Amtes für Bau und Infrastruktur, des Amtes für Gesundheit und der Gemeinden sowie ebenso viele Ersatzmitglieder; sie werden von der Regierung für eine Dauer von vier Jahren bestellt.1
3) Die Regierung bestimmt den Stellvertreter des Vorsitzenden.
4) Mit beratender Stimme nehmen an den Sitzungen des Landesführungsstabs teil:
a) ein Vertreter der Regierungskanzlei;2
b) bei Eintritt einer besonderen oder ausserordentlichen Lage ein Vertreter der betroffenen Gemeinden.
Der Landesführungsstab kann weitere Fachpersonen beiziehen.
5) Der Landesführungsstab ist beschlussfähig, wenn mindestens drei stimmberechtigte Mitglieder anwesend sind. Er fasst seine Beschlüsse mit einfacher Stimmenmehrheit der anwesenden Mitglieder. Bei Stimmengleichheit entscheidet die Stimme des Vorsitzenden.
6) Die Regierung regelt das Nähere durch Verordnung.
Art. 10
Aufgaben
1) Dem Landesführungsstab obliegt bei besonderen und ausserordentlichen Lagen die strategische und vorbehaltlich Art. 11 die operative Führung des Bevölkerungsschutzes.
2) Ihm obliegen insbesondere:
a) die Anordnung der notwendigen Hilfs- und Schutzmassnahmen;
b) die Alarmierung und die Information der Öffentlichkeit;
c) die Koordination von Massnahmen, die selbständig in den einzelnen Gemeinden durchgeführt werden;
d) die Koordination von Massnahmen zur Wiederinstandstellung der Infrastruktur.
3) Der Landesführungsstab kann bei der Regierung einen Antrag auf ein Hilfeersuchen nach Art. 8 stellen.
4) Bei Gefahr in Verzug kann der Vorsitzende des Landesführungsstabs alle notwendigen Sofortmassnahmen anordnen.
5) Die Regierung regelt das Nähere mit Verordnung.
Art. 11
Technische Einsatzleitung
1) Der Landesführungsstab kann die operative Führung des Bevölkerungsschutzes (Art. 10) an einen technischen Einsatzleiter übertragen.
2) Der technische Einsatzleiter hat den Landesführungsstab über die von ihm angeordneten Massnahmen sowie die Ereignisse am Einsatzort laufend zu informieren.
3) Der technische Einsatzleiter kann Fachpersonen beiziehen, soweit dies zur Erfüllung seiner Aufgaben erforderlich ist.
D. Gemeinden
Art. 12
Grundsatz
1) Den Gemeinden obliegt auf ihrem Hoheitsgebiet die Vorbereitung, Koordination und Durchführung von Massnahmen bei normalen Lagen.
2) Die Gemeinden sind verpflichtet, bei besonderen und ausserordentlichen Lagen durch die Bereitstellung von personellen und materiellen Mitteln mitzuwirken.
3) Die Gemeinden können bei der Regierung einen Antrag auf ein Hilfeersuchen nach Art. 8 stellen.
Art. 13
Organisation
1) Die Gemeinden legen in einem Reglement die für die Bewältigung von normalen Lagen und die Mitwirkung bei besonderen und ausserordentlichen Lagen erforderliche Organisation fest. Sie bestimmen insbesondere die Führungsorgane und die im Bereich des Bevölkerungsschutzes tätigen Rettungs- und Hilfsdienste sowie deren Aufgaben und die notwendigen materiellen Mittel.
2) Die Reglemente sowie allfällige Änderungen sind der Regierung zur Kenntnisnahme vorzulegen.
E. Amtsstellen und besonders qualifiziertes Personal
Art. 14
Amt für Bevölkerungsschutz
1) Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, obliegt dem Amt für Bevölkerungsschutz der Vollzug dieses Gesetzes.
2) Dem Amt für Bevölkerungsschutz obliegt insbesondere:
a) die Ausbildung von Rettungs- und Hilfsdiensten;
b) die Notfall- und Einsatzplanung für Rettungs- und Hilfsdienste bei besonderen und ausserordentlichen Lagen;
c) die Beratung und Information der Bevölkerung über Schutzmassnahmen;
d) die Umsetzung von Massnahmen im Bereich der wirtschaftlichen Landesversorgung.
Art. 15
Landespolizei
Die Landespolizei leitet bei besonderen und ausserordentlichen Lagen die notwendigen Sofortmassnahmen ein, wenn und so lange ein rechtzeitiges Tätigwerden des Landesführungsstabs oder seines Vorsitzenden (Art. 10 Abs. 4) nicht möglich ist.
Art. 16 3
Besonders qualifiziertes Personal
Die Regierung kann überdies Angestellte der Landesverwaltung und der öffentlich-rechtlichen Körperschaften, Anstalten und Stiftungen, die wegen ihrer Kenntnisse und Erfahrungen im besonderen Masse befähigt sind, Aufgaben im Bereich des Bevölkerungsschutzes wahrzunehmen, zur Übernahme solcher Aufgaben verpflichten.
F. Rettungs- und Hilfsdienste
Art. 17
Grundsatz
1) Rettungs- und Hilfsdienste sind insbesondere:
a) die Landes- und Gemeindepolizei;
b) die Werk- und Forstbetriebe sowie die Strassenunterhaltsdienste;
c) die Wehrdienste (Feuer-, Chemie- und Wasserwehr, Strahlenschutz etc.);
d) die Institutionen des öffentlichen Gesundheitswesens;
e) vertraglich verpflichtete private Institutionen und Einzelpersonen.
2) Die Rettungs- und Hilfsdienste tragen die Verantwortung für ihre jeweiligen Aufgabenbereiche und unterstützen sich gegenseitig bei der Erfüllung ihrer Aufgaben.
3) Die Ausbildung der Mitglieder der Rettungs- und Hilfsdienste erfolgt in Form von Kursen und Übungen. Für die Durchführung von Kursen ist das Land, für die Durchführung von Übungen der jeweilige Dienst zuständig.
4) Die Regierung kann einzelne oder alle Mitglieder der Rettungs- und Hilfsdienste zur Überprüfung der Einsatzbereitschaft oder zu Übungen aufbieten.
5) Die Regierung regelt die Aus- und Weiterbildung der Rettungs- und Hilfsdienste mit Verordnung.
Besondere Rettungs- und Hilfsdienste
Art. 18
a) Feuerwehren, Samaritervereine, Schutzorganisationen und -gruppen
Folgende Rettungs- und Hilfsdienste sind Teil des Bevölkerungsschutzes in den Gemeinden:
a) die Feuerwehren für Aufgaben nach der Feuerwehrgesetzgebung;
b) die Samaritervereine für die sanitätsdienstliche Betreuung;
c) die Schutzorganisationen und Gruppen des Zivilschutzes, insbesondere zur Betreuung und Versorgung von Schutz suchenden und obdachlosen Personen sowie zur Unterstützung der Führungsorgane und anderer Rettungs- und Hilfsdienste.
Art. 19
b) Bergrettungsorganisation
1) Die Regierung errichtet oder bestimmt eine Organisation, der bei normalen, besonderen und ausserordentlichen Lagen die Rettung von Menschen in unwegsamem Gelände obliegt.
2) Die Bergrettungsorganisation kann vom Landesführungsstab auch für andere Hilfeleistungen aufgeboten werden.
3) Der Bergrettungsorganisation obliegt zudem der Lawinenrettungsdienst.
Art. 20
c) Vertraglich verpflichtete Rettungs- und Hilfsdienste des Landes
1) Die Regierung kann mit privaten Institutionen, die besondere Aufgaben im Bereich des Bevölkerungsschutzes wahrnehmen, Verträge über die Vorbereitung und Durchführung von Massnahmen des Bevölkerungsschutzes abschliessen. Das Amt für Bevölkerungsschutz hat die Einhaltung solcher Verträge regelmässig zu überprüfen.
2) Institutionen nach Abs. 1 können in dringenden Fällen vom Landesführungsstab verpflichtet werden, andere als die vertraglich vereinbarten Aufgaben im Bereich des Bevölkerungsschutzes wahrzunehmen.
Art. 21
Freistellung
1) Arbeitgeber haben Arbeitnehmern, die Mitglieder von Rettungs- oder Hilfsdiensten sind, für die Dauer von Ernstfalleinsätzen unbezahlt Freistellung zu gewähren. Die Freistellung darf nicht als Ferienanspruch nach § 1173a Art. 30 Abs. 1 ABGB angerechnet werden.
2) Bei einem Aufgebot für Kurse und Ausbildungen durch das Amt für Bevölkerungsschutz gewähren Arbeitgeber nachstehenden Arbeitnehmern, die Mitglieder von Rettungs- oder Hilfsdiensten sind, jährlich eine unbezahlte Freistellung von:
a) höchstens zehn Arbeitstagen für Führungs- und Ausbildungskräfte;
b) höchstens fünf Arbeitstagen für alle übrigen Mitglieder.
3) Bei unbezahlten Freistellungen nach Abs. 2 sind die betrieblichen Gegebenheiten (Auftragslage, Arbeitsanfall, Ferien etc.) zu berücksichtigen und die Kurs- und Ausbildungstage frühzeitig, mindestens aber zwei Monate vor Kurs- oder Ausbildungsbeginn, vom Amt für Bevölkerungsschutz dem jeweiligen Arbeitgeber mitzuteilen. In begründeten Einzelfällen kann ein Arbeitgeber einem Arbeitnehmer, der Mitglied eines Rettungs- oder Hilfsdienstes ist, die Teilnahme an einem Kurs oder an einer Ausbildung verweigern.
III. Einsatzmittel und Infrastruktur
A. Notfall- und Einsatzpläne
Art. 22
Grundsatz
1) Die Gemeinden sind verpflichtet, besonders gefährdete Objekte auf ihrem Gebiet zu bezeichnen und dafür Notfall- und Einsatzpläne bereitzustellen und aktuell zu halten.
2) Das Land erarbeitet zusammen mit den Gemeinden Notfall- und Einsatzpläne insbesondere für die Einsätze auf den Hauptverkehrswegen und in Gebieten, die durch grossräumige Naturereignisse gefährdet sind.
3) Inhaber von Betrieben und Anlagen haben Notfall- und Einsatzpläne bereitzustellen und aktuell zu halten, wenn:
a) für die Betriebe oder Anlagen bei einer besonderen oder ausserordentlichen Lage ein besonderer Einsatz erforderlich ist;
b) von den Betrieben oder Anlagen die Gefahr der Auslösung einer besonderen oder ausserordentlichen Lage besteht.
Die Notfall- und Einsatzpläne sind dem Amt für Bevölkerungsschutz vorzulegen.
4) Die Regierung erlässt für die Erstellung von Notfall- und Einsatzplänen Richtlinien.
Art. 23
Inhalt, Ausfertigung und Aufbewahrung von Notfall- und Einsatzplänen
1) Notfall- und Einsatzpläne im Sinne von Art. 22 haben insbesondere zu enthalten:
a) eine Beschreibung von Personen, Einrichtungen und Dienststellen, die für den Bevölkerungsschutz der Gemeinde bedeutsam sind;
b) eine Beschreibung von im Einsatzfall anzufordernden Sachmitteln bzw. von Auskunftsstellen über solche Sachmittel;
c) eine Beschreibung von Massnahmen für den Fall einer ausserordentlichen Lage, insbesondere einen Alarmplan;
d) eine Gebietsbeschreibung (Topographie, Besiedelung, wichtige Anlagen);
e) eine Beschreibung der Gefahrenlage;
f) eine Beschreibung des Rettungs- und Hilfsdienstes samt den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln;
g) eine Beschreibung der zur Bewältigung ausserordentlicher Lagen wichtigen Anlagen, Einrichtungen, Einsatz- und Hilfsmittel.
2) Notfall- und Einsatzpläne sind in so vielen Ausfertigungen zu erstellen und so aufzubewahren, dass sie zur jederzeitigen Verwendung bereit liegen.
3) Notfall- und Einsatzpläne sind zumindest einmal jährlich auf ihre Vollständigkeit und Richtigkeit hin zu überprüfen. Änderungen und Ergänzungen sind unverzüglich vorzunehmen.
B. Systeme zur Alarmierung und Übermittlung von Informationen
Art. 24
Alarmierungssysteme
1) Das Land sieht geeignete Einrichtungen vor, um die Bevölkerung vor absehbaren ausserordentlichen Lagen warnen und bei deren Eintritt alarmieren zu können.
2) Das Land sieht geeignete Einrichtungen zur stillen Alarmierung der Mitglieder von Rettungs- und Hilfsdiensten vor.
3) Können Einrichtungen nach Abs. 1 und 2 nicht zweckmässig auf landes- und gemeindeeigenen Liegenschaften erstellt werden, so sind Liegenschaftseigentümer ohne Anspruch auf Entschädigung zur Duldung der Anbringung der Signalanlagen sowie zur Duldung der Instandhaltungsarbeiten der Anlagen auf ihren Liegenschaften verpflichtet. Eine Haftung für den ordnungsgemässen Bestand trifft sie nicht.
4) Die Regierung legt durch Verordnung für Einrichtungen nach Abs. 1 die in Betracht kommenden akustischen Zeichen unter Bedachtnahme auf ihre deutliche Unterscheidbarkeit fest.
Art. 25
Systeme zur Übermittlung von Informationen
1) Die Regierung bestimmt:
a) das Kommunikationssystem, das während ausserordentlichen Lagen betrieben und ausgesendet wird;
b) welche Leistungen Anbieter von Kommunikationssystemen bei ausserordentlichen Lagen zu erbringen haben.
2) Bei Bedarf kann die Regierung das erforderliche Personal für den Betrieb eines Kommunikationssystems zum Dienst verpflichten.
3) Wer ein Kommunikationssystem betreibt, ist im Rahmen der technischen Möglichkeiten insbesondere verpflichtet:
a) Alarme und Meldungen jederzeit weiterzuleiten;
b) den Benützern alle notwendigen Grunddaten, insbesondere Zugangsdaten, und Informationen über technische Änderungen zu liefern.
C. Schutzräume
Art. 26
Begriff
Bei Schutzräumen handelt es sich um standardisierte Bauten, die primär dem Schutz der Bevölkerung und der Sicherstellung der Bereitschaft der Mittel des Bevölkerungsschutzes bei ausserordentlichen Lagen dienen.
Art. 27
Begutachtung von Schutzräumen
Die Baubehörde hat vor Erteilung der Baubewilligung die Pläne für Bauten, in denen Schutzräume vorgesehen sind, vom Amt für Bevölkerungsschutz begutachten zu lassen. Die Regierung regelt das Nähere durch Verordnung.
IV. Besondere Bereiche des Bevölkerungsschutzes
A. Lawinendienst
Art. 28
Organisation
1) Die Regierung errichtet einen Lawinendienst. Sie bestellt dessen Mitglieder und ist für seine dauernde personelle und materielle Einsatzbereitschaft verantwortlich.
2) Die Regierung regelt das Nähere über die Organisation des Lawinendienstes mit Verordnung.
Art. 29
Aufgaben
1) Dem Lawinendienst obliegt:
a) der Schutz der bewohnten Siedlungen und der öffentlichen Verkehrswege;
b) die Sicherung des organisierten Skiraumes einschliesslich der Loipen und der gekennzeichneten Winterwanderwege, sofern der Anlagenbetreiber seiner Sicherungspflicht nicht nachkommt.
2) Der Lawinendienst trifft alle geeigneten Massnahmen, die zum Schutz und zur Rettung von Mensch und Tier sowie von Sachwerten notwendig sind.
3) Die Regierung regelt das Nähere über die Aufgaben des Lawinendienstes mit Verordnung.
B. Wirtschaftliche Landesversorgung
Art. 30
Grundsatz
1) Land, Gemeinden sowie Betriebe und Organisationen der Wirtschaft erfüllen die ihnen durch Gesetz übertragenen Aufgaben im Bereich der wirtschaftlichen Landesversorgung und sorgen für die ständige Bereitschaft der benötigten personellen und materiellen Mittel.
2) Betriebe und Organisationen der Wirtschaft sind verpflichtet, den zuständigen Amtsstellen über den Vollzug der von der Schweizerischen Eidgenossenschaft angeordneten Massnahmen der wirtschaftlichen Landesversorgung jederzeit nach Massgabe der anwendbaren schweizerischen Rechtsvorschriften Auskunft zu erteilen.
3) Die Regierung regelt das Nähere durch Verordnung.
V. Hilfspflichten der Bevölkerung und Requisition
Art. 31
Hilfspflichten der Bevölkerung
1) Jede im Alter von 18 bis 60 Jahren stehende Person ist verpflichtet, bei der Bewältigung von Schadenereignissen und der unmittelbar anschliessenden vorläufigen Beseitigung erheblicher Schäden nach ihren Fähigkeiten und Kenntnissen Hilfe zu leisten, wenn sie dazu aufgefordert wird.
2) Die Hilfeleistung kann nur verweigern, wer durch sie eine unzumutbare gesundheitliche Schädigung befürchten oder höherwertige Pflichten verletzen würde.
3) Kosten aus Unfällen Hilfe leistender Personen sind von den betroffenen öffentlich-rechtlichen Körperschaften (Gemeinden, Land) zu tragen, wenn eine anderweitige Deckung allfälliger Haftpflichtversicherungen fehlt.
Art. 32
Requisition
1) Eigentümer, Besitzer und Halter von Fahrzeugen aller Art, Zugtieren, Maschinen, Werkzeugen, Anlagen, Einrichtungen, Geräten und sonstigen geeigneten Hilfsmitteln haben zu dulden, dass diese sowie deren Zubehör auf Anordnung der zuständigen Behörden für die Bewältigung von Schadenereignissen und für die unmittelbar anschliessende vorläufige Beseitigung erheblicher Schäden in Anspruch genommen werden.
2) Wer in seinem Geschäftsbetrieb üblicherweise Instandsetzungen vornimmt, kann während einem Schadenereignis insbesondere zur sofortigen Instandsetzung von Fahrzeugen, Maschinen oder Geräten herangezogen werden. Er hat dabei im Rahmen seines Geschäftsbetriebes auch erforderliche Ersatz- und Zubehörteile sowie Betriebsmittel zu liefern.
Art. 33
Betreten von Liegenschaften
1) Eigentümer und Besitzer von Grundstücken haben zu dulden, dass zuständige Behörden und Einsatzkräfte ihre Grundstücke unter möglichster Schonung betreten und benutzen, soweit dies für die Bewältigung von Schadenereignissen und für die unmittelbar anschliessende Beseitigung erheblicher Schäden erforderlich ist.
2) Eigentümer und Besitzer von betroffenen und benachbarten Grundstücken und Bauwerken haben ausserdem Massnahmen zu dulden, die die zuständigen Behörden und Einsatzkräfte für die Bewältigung von Schadenereignissen oder für die unmittelbar anschliessende Beseitigung von Schäden anordnen. Dazu gehören insbesondere die Räumung von Grundstücken von Gegenständen aller Art und die Beseitigung von Pflanzen und Einfriedungen, die einen Einsatz behindern.
Art. 34
Pflichten der im betroffenen Gebiet Anwesenden
Alle im von einem Schadenereignis betroffenen Gebiet oder an einem Einsatzort anwesenden Personen haben Anordnungen der zuständigen Behörden, Einsatzkräfte, Rettungs- und Hilfsdienste sowie anderer dienstlich anwesender Personen über Räumung, Absperrung oder Sicherung des betroffenen Gebietes oder des Einsatzortes unverzüglich zu befolgen.
VI. Haftung des Landes und der Gemeinden
Art. 35
Grundsatz
1) Das Land und die Gemeinden sind nach Amtshaftungsgesetz ersatzpflichtig für Schaden, welcher Dritten durch die zuständigen Behörden, Einsatzkräfte, Rettungs- und Hilfsdienste oder andere dienstlich anwesende Personen in Ausübung des Dienstes schuldhaft zugefügt wird.
2) Für Schaden an requirierten Fahrzeugen und requiriertem Material sowie für Schaden, der bei Betreten von Liegenschaften entsteht, haften Land oder Gemeinden ohne Nachweis eines Verschuldens der zuständigen Behörden, Einsatzkräfte, Rettungs- und Hilfsdienste oder anderer dienstlich anwesender Personen.
3) Hat das Land oder eine Gemeinde nach Abs. 1 oder 2 Dritten Schadenersatz geleistet, so kann auf Personen, die während eines Einsatzes oder einer Übung einen Schaden verursacht haben, kein Rückgriff genommen werden.
VII. Versicherungsschutz
Art. 36
Versicherungspflicht
Das Land, die Gemeinden oder die Betriebe haben nach Massgabe ihrer Zuständigkeit dafür zu sorgen, dass für die Mitglieder der Rettungs- und Hilfsdienste eine ausreichende Haftpflicht-, Rechtsschutz- und Unfallversicherung besteht.
VIII. Finanzierung
Art. 37
Kosten für Aus- und Weiterbildung
1) Das Land trägt die Kosten für die Aus- und Weiterbildung der Rettungs- und Hilfsdienste, namentlich für:
a) angeordnete Kurse und Übungen;
b) Fachtagungen.
2) Das Land richtet bei der Aus- und Weiterbildung nach Abs. 1 zudem ein Taggeld aus; eine Verdienstausfallentschädigung wird nicht entrichtet.
3) Das Land trägt die Kosten für von Rettungs- und Hilfsdiensten durchgeführte Kurse, sofern diese öffentlich angeboten werden oder sich an Schüler richten.
4) Die Regierung regelt das Nähere durch Verordnung.
Art. 38
Kosten für Material und Ausrüstung
1) Das Land und die Gemeinden tragen nach Massgabe ihrer Zuständigkeit die Kosten für das erforderliche Material, insbesondere die Ausrüstung, der Rettungs- und Hilfsdienste.
2) Das Land richtet für nicht unmittelbar für Schadenereignisse verwendetes Material, Geräte, Transportmittel, Krankenmobiliar, Übungs- und Ausbildungsmittel der Samaritervereine eine Subvention von 30 % aus.
3) Die Regierung regelt das Nähere durch Verordnung.
Art. 39
Kosten für Einsätze
1) Die Kosten für Einsätze tragen bei versicherbaren Schäden die Geschädigten bzw. deren Versicherungen.
2) Bei nicht versicherbaren Schäden tragen die betroffenen Gemeinden und das Land die Kosten für die Einsatzentschädigung von Mitgliedern jener Rettungs- und Hilfsdienste, für die sie zuständig sind; sie teilen sich zu gleichen Teilen die Kosten für dringlich notwendige Arbeiten. Zwischen dem Land und den Gemeinden findet keine gegenseitige Kostenverrechnung statt.
3) Die Mitglieder von Rettungs- und Hilfsdiensten erhalten für ihre Einsätze eine Entschädigung. Die Regierung erlässt hierzu Weisungen.
Art. 40
Kosten des Lawinendienstes
1) Das Land trägt vorbehaltlich Abs. 2 die Kosten für den Lawinendienst.
2) Die Kosten, die dem Lawinendienst infolge von Sicherungsmassnahmen für den organisierten Skiraum, für Loipen und andere touristisch genutzte Gebiete entstehen, sind - unabhängig davon, ob die Massnahmen von den zuständigen Organen des Lawinendienstes angeordnet wurden - von den jeweiligen Unternehmen und Anlagenbetreibern zu tragen.
3) Die Regierung regelt das Nähere durch Verordnung.
Art. 41
Beiträge aufgrund von Leistungsvereinbarungen
Das Land kann auf der Grundlage von Leistungsvereinbarungen an Organisationen der Rettungs- und Hilfsdienste Beiträge ausrichten.
Art. 42
Kosten für Schutzräume
1) Das Land kann an die Kosten für die Erstellung von Schutzräumen der Gemeinden eine Subvention von 30 % ausrichten.
2) Bei Schutzräumen in Privathäusern und privaten Überbauungen kann das Land die gesamten nachgewiesenen Mehrkosten übernehmen, sofern die entsprechenden Voraussetzungen erfüllt werden.
Art. 43
Rückgriff
Auf natürliche und juristische Personen, die den Einsatz der Rettungs- und Hilfsdienste durch eine vorsätzliche oder grobfahrlässige Handlung oder Unterlassung nötig gemacht oder veranlasst haben, kann für alle Auslagen aus dem Einsatz Rückgriff genommen werden.
IX. Rechtsmittel
Art. 44
Beschwerde
1) Gegen Verfügungen der zuständigen Gemeindeorgane, der Amtsstellen, des Landesführungsstabs oder des Lawinendienstes kann binnen 14 Tagen ab Zustellung Beschwerde bei der Regierung erhoben werden.
2) Gegen Entscheidungen der Regierung kann binnen 14 Tagen ab Zustellung Beschwerde beim Verwaltungsgerichtshof erhoben werden.
3) Soweit nichts anderes angeordnet wird, kommt einer Beschwerde während einer besonderen oder ausserordentlichen Lage gegen Verfügungen und Entscheidungen nach Abs. 1 und 2 keine aufschiebende Wirkung zu.
X. Strafbestimmungen
Art. 45
Übertretungen
1) Wer die in den Art. 22 Abs. 3 und Art. 31 bis 34 vorgeschriebenen Pflichten verletzt, ist von der Regierung wegen Übertretung mit Busse bis zu 10 000 Franken zu bestrafen.
2) Bei fahrlässiger Begehung wird die Strafobergrenze auf die Hälfte herabgesetzt.
3) Die Gemeinden sind berechtigt, in den von ihnen zu erlassenden Reglementen weitere Ordnungsstraftatbestände aufzustellen. Zur Bestrafung ist der Gemeindevorsteher zuständig.
Art. 46
Verantwortlichkeit
Werden Widerhandlungen im Geschäftsbetrieb einer juristischen Person oder einer Kollektiv- oder Kommanditgesellschaft oder einer Einzelfirma begangen, finden die Strafbestimmungen auf die Personen Anwendung, die für sie gehandelt haben oder hätten handeln sollen, jedoch unter solidarischer Mithaftung der juristischen Person, der Gesellschaft oder der Einzelfirma für die Bussen und Kosten.
XI. Übergangs- und Schlussbestimmungen
Art. 47
Verschwiegenheitspflichten
Wer beim Vollzug dieses Gesetzes mitwirkt, ist verpflichtet, die Vorschriften der Geheimhaltung zu befolgen.
Art. 48
Durchführungsverordnungen
Die Regierung erlässt die zur Durchführung dieses Gesetzes notwendigen Verordnungen, insbesondere über:
a) die Führungsstruktur nach Art. 6 Abs. 3;
b) die Bereitstellung, die Organisation und das Aufgebot der personellen und materiellen Mittel;
c) die Ausrüstung der im Rettungs- und Hilfsdienst tätigen Personen sowie deren Versicherung;
d) die Bereitstellung, die Organisation und die Belegung der vorhandenen Schutzräume und Notunterkünfte;
e) die Organisation und die Aufgaben des Landesführungsstabs nach Art. 9 Abs. 6 und Art. 10 Abs. 5;
f) die Aus- und Weiterbildung der Hilfs- und Rettungsdienste nach Art. 17 Abs. 5;
g) die akustischen Zeichen für die Alarmierung nach Art. 24 Abs. 4;
h) die Kommunikationssysteme und die Leistungen, die Anbieter von Kommunikationssystemen zu erbringen haben, nach Art. 25 Abs. 1;
i) die Begutachtung von Schutzräumen nach Art. 27;
k) die Organisation und die Aufgaben des Lawinendienstes nach Art. 28 Abs. 2 und Art. 29 Abs. 3;
l) die wirtschaftliche Landesversorgung nach Art. 30 Abs. 3;
m) die Finanzierung nach Art. 37 Abs. 4, Art. 38 Abs. 3 und Art. 40 Abs. 3.
Art. 49
Übergangsbestimmungen
1) Die Gemeinden sind verpflichtet, Reglemente nach Art. 13 innerhalb eines Jahres nach Inkrafttreten dieses Gesetzes zu erlassen und der Regierung zur Kenntnis zu bringen.
2) Notfall- und Einsatzpläne nach Art. 22 sind innerhalb eines Jahres nach Inkrafttreten dieses Gesetzes zu erstellen.
Art. 50
Aufhebung bisherigen Rechts
Es werden aufgehoben:
a) Gesetz vom 25. März 1992 über den Katastrophenschutz, LGBl. 1992 Nr. 48;
b) Positionen Nr. 8.13 bis 8.36 und 9.1 bis 9.13 sowie 9.2 bis 9.22 des Anhangs zum Gesetz vom 3. Juli 1991 über die Ausrichtung von Landessubventionen (Subventionsgesetz), LGBl. 1991 Nr. 71.
Art. 51
Terminologie
In Gesetzen und Verordnungen ist die Bezeichnung "Amt für Zivilschutz und Landesversorgung" durch die Bezeichnung "Amt für Bevölkerungsschutz", in der jeweils grammatikalisch richtigen Form, zu ersetzen.
Art. 52
Inkrafttreten
Dieses Gesetz tritt unter Vorbehalt des ungenutzten Ablaufs der Referendumsfrist am 1. Juli 2007 in Kraft, andernfalls am Tage der Kundmachung.

In Stellvertretung des Landesfürsten:

gez. Alois

Erbprinz

gez. Otmar Hasler

Fürstlicher Regierungschef

1   Art. 9 Abs. 2 Bst. b abgeändert durch LGBl. 2012 Nr. 269.

2   Art. 9 Abs. 4 Bst. a abgeändert durch LGBl. 2013 Nr. 42.

3   Art. 16 abgeändert durch LGBl. 2009 Nr. 382.