910.012
Liechtensteinisches Landesgesetzblatt
Jahrgang 2009 Nr. 199 ausgegeben am 10. Juli 2009
Verordnung
vom 7. Juli 2009
über die Milchmengenregelung (Milchmengenregelungsverordnung; MMRV)
Aufgrund von Art. 58, Art. 67 Abs. 2, Art. 68 Abs. 5 und Art. 78 des Landwirtschaftsgesetzes (LWG) vom 11. Dezember 2008, LGBl. 2009 Nr. 421, verordnet die Regierung:
I. Allgemeine Bestimmungen
Art. 1
Gegenstand und Zweck
1) Diese Verordnung regelt die Beschränkung der Verkehrsmilchproduktion, insbesondere:
a) die Kriterien für die Festlegung eines Landeskontingentes und einer allfälligen Mehrmenge;
b) die Aufteilung des Landeskontingentes und der Mehrmenge auf die einzelnen Milchproduzenten oder Milchverarbeiter;
c) die Erhebung einer Abgabe bei Überschreitung der Toleranzmenge.
2) Sie dient:
a) der Angleichung der Verkehrsmilchproduktion an den Inlandverbrauch;
b) der Gewährleistung einer effizienten Verteilung des Landeskontingentes auf die einzelnen Milchproduzenten;
c) der Sicherstellung einer geregelten Fortführung der Milchmengenregelung bis zu deren vollständigen Aufhebung.
3) Ziel der landesweiten Milchmengenregelung ist es insbesondere, die Wettbewerbsfähigkeit der produzierenden Landwirtschaft zu steigern, eine grösstmögliche Wertschöpfung zu erreichen, den Absatz zu fördern, eine angemessene Selbstversorgung sicherzustellen sowie eine Unter- oder Überversorgung zu verhindern.
Art. 2
Bezeichnungen
Die in dieser Verordnung verwendeten Personen- und Berufsbezeichnungen gelten für Personen des weiblichen und männlichen Geschlechts.
Art. 3
Inverkehrbringen von Milch
Milchproduzenten dürfen nur Milch von betriebseigenen Kühen in Verkehr bringen. Ausgenommen davon sind Milchproduzenten, die auch Hofverarbeiter sind und einen Teil der verarbeiteten Milch von anderen Milchproduzenten erhalten.
Art. 4
Milchlieferverträge
1) Milchproduzenten dürfen ihre Milch nur einem durch das Landwirtschaftsamt anerkannten Milchverarbeiter oder Milchkäufer liefern.
2) Sie sind verpflichtet, mit einem anerkannten Milchverarbeiter oder Milchkäufer Milchlieferverträge für mindestens ein Jahr abzuschliessen.
3) Direktvermarkter, insbesondere Alpen (Alpbetriebe) und Hofverarbeiter, sind hinsichtlich der direkt vermarkteten Mengen von der Vertragspflicht ausgenommen.
II. Beschränkung der Verkehrsmilchproduktion
A. Landeskontingent und einzelbetriebliche Liefermenge
Art. 5
Festlegung des Landeskontingentes
1) Die Regierung legt jeweils für ein Kalenderjahr mit Beschluss die Milchmenge fest, die in Liechtenstein produziert und in Verkehr gebracht werden darf (Landeskontingent).
2) Die Höhe des Landeskontingentes richtet sich nach dem Inlandverbrauch. Kriterien für die Berechnung des Inlandverbrauchs sind:
a) die Anzahl der in Liechtenstein wohnhaften Personen;
b) die Anzahl der regelmässig in Liechtenstein tätigen und nicht in Liechtenstein wohnhaften Personen;
c) der durchschnittliche Verbrauch von Milch und Milchprodukten pro Person; zur Ermittlung des Durchschnittsverbrauchs werden die entsprechenden Daten der Schweiz herangezogen.
Art. 6
Zuteilung der einzelbetrieblichen Liefermenge
1) Die Produzentenorganisation teilt das Landeskontingent jährlich auf die einzelnen Milchproduzenten auf und bestimmt die Milchmenge, die von diesen in Verkehr gebracht werden darf (einzelbetriebliche Liefermenge).
2) Bei der Zuteilung der einzelbetrieblichen Liefermenge hat die Produzentenorganisation folgende Grundsätze und Mindestkriterien zu beachten:
a) alle Milchproduzenten sind, unabhängig davon, ob sie Mitglied des Liechtensteiner Milchverbandes sind oder nicht, gleich zu behandeln;
b) eine einzelbetriebliche Liefermenge darf nur gekürzt werden, wenn:
1. diese im Vorjahr unterschritten wurde;
2. das Landeskontingent herabgesetzt wird;
3. auf eine bestimmte Liefermenge freiwillig verzichtet wird.
Dies gilt auch für Betriebe, die im Rahmen einer Betriebsgemeinschaft oder Betriebszweiggemeinschaft zusammenarbeiten.
3) Die Produzentenorganisation ist verpflichtet, mit allen Milchproduzenten eine Vereinbarung über die einzelbetriebliche Liefermenge abzuschliessen, unabhängig davon, ob sie Mitglieder der Produzentenorganisation sind oder nicht.
4) Alpbetriebe, denen keine einzelbetriebliche Liefermenge zugeteilt wurde, können die in Verkehr gebrachte Milch der einzelbetrieblichen Liefermenge desjenigen Betriebes anrechnen lassen, dessen Kühe sich zur Sömmerung auf der Alpe befinden.
Art. 7
Neuaufnahme der Milchproduktion
1) Betriebe, welche die Milchproduktion neu aufnehmen wollen, haben die Zuteilung der einzelbetrieblichen Liefermenge schriftlich bei der Produzentenorganisation zu beantragen.
2) Die maximale Höhe der einzelbetrieblichen Liefermenge hat sich am Produktionspotenzial des Betriebes bei ausgeglichener Nährstoff- und Futterbilanz (ohne Wegfuhr von Hofdüngern) zu orientieren; dabei sind die Tierzahlen, die Gebäudeauslastung sowie die landwirtschaftliche Nutzfläche und deren Produktionspotential zu berücksichtigen.
3) Die einzelbetriebliche Liefermenge für Betriebe nach Abs. 1 beträgt maximal 90 % der höchsten an einen bestehenden Einzelbetrieb zugeteilten einzelbetrieblichen Liefermenge.
Art. 8
Reglement
1) Die Produzentenorganisation erlässt in einem von der Regierung zu genehmigenden Reglement:
a) die näheren Kriterien für die Zuteilung der einzelbetrieblichen Liefermenge;
b) die Rechte und Pflichten der Milchproduzenten;
c) die Massnahmen bei einer Überschreitung der einzelbetrieblichen Liefermenge.
2) Das Reglement ist von der Produzentenorganisation auf geeignete Weise zu veröffentlichen.
B. Mehrmengen
Art. 9
Festlegung
Die Regierung kann das Landeskontingent jeweils für ein Kalenderjahr um eine Mehrmenge erhöhen, wenn:
a) die Produzentenorganisation einen diesbezüglichen Bedarf nachweist; und
b) die Milch ausschliesslich ausserhalb des schweizerisch-liechtensteinischen Binnenmarktes in Verkehr gebracht werden soll oder ohne Verdrängung bestehender Produkte innerhalb des Binnenmarktes in Verkehr gebracht werden kann.
Art. 10
Zuteilung
1) Die Produzentenorganisation hat die Mehrmenge nach Art. 9 denjenigen Milchverarbeitern zuzuteilen, die den Nachweis eines entsprechenden Bedarfs erbringen.
2) Der Milchverarbeiter bestimmt, welchen Milchproduzenten die Mehrmenge zur Produktion zugeteilt wird.
C. Erhebung einer Abgabe bei Überschreitung der Toleranzmenge
Art. 11
Grundsatz
1) Wird das Landeskontingent oder die Mehrmenge um eine Toleranzmenge von 7 % überschritten, hat die Produzentenorganisation eine Abgabe zu entrichten.
2) Die Produzentenorganisation kann die Abgabe nach Abs. 1 weiterverrechnen:
a) den Milchproduzenten, die ihre einzelbetriebliche Liefermenge überschreiten;
b) den Milchverarbeitern, die ihre Mehrmenge überschreiten.
Art. 12
Erhebung der Abgabe
1) Das Landwirtschaftsamt berechnet jährlich die Milchmenge, die über der Toleranzmenge liegt.
2) Für jedes Kilogramm Milch, das die Toleranzmenge übersteigt, hat die Produzentenorganisation eine Abgabe von 85 % des Produzentenpreises zu leisten.
3) Der Produzentenpreis berechnet sich aus dem gewichteten Jahresmittel der vom Liechtensteiner Milchverband bezahlten Produzentenpreise.
4) Das Landwirtschaftsamt erhebt die Abgabe nach Abs. 2 mit Verfügung.
D. Aufzeichnungs- und Meldepflichten
Art. 13
Grundsatz
1) Die Milchverarbeiter und Milchkäufer zeichnen die Milchmengen, die ihnen die Milchproduzenten liefern, täglich in Kilogramm auf.
2) Sie teilen der Produzentenorganisation die aufsummierte Menge je Milchproduzent monatlich bis zum 10. Tag des folgenden Monats unaufgefordert mit.
3) Die Alpbetriebe teilen der Produzentenorganisation die nach Abs. 4 der einzelbetrieblichen Liefermenge anzurechnende Milchmenge innerhalb von 30 Tagen nach Abschluss der Sömmerung mit.
4) Der einzelbetrieblichen Liefermenge von Alpbetrieben wird die gesamte, während der Sömmerung produzierte Milchmenge angerechnet, abzüglich der Milch, die:
a) auf dem Alpbetrieb verfüttert wurde;
b) der Selbstversorgung dient; oder
c) im Haushalt des Alpbetriebes frisch konsumiert wurde.
5) Hofverarbeiter zeichnen die Milchmenge, die sie auf dem Betrieb zu Milchprodukten verarbeiten, täglich in Kilogramm auf und teilen die aufsummierte Menge monatlich bis zum 10. Tag des folgenden Monats der Produzentenorganisation mit.
III. Organisation und Durchführung
Art. 14
Regierung
Der Regierung obliegen:
a) die Festlegung des Landeskontingentes und der Mehrmenge (Art. 5 und 9);
b) die Genehmigung des Reglements der Produzentenorganisation (Art. 8 Abs. 1);
c) der Abschluss einer Leistungsvereinbarung mit der Produzentenorganisation (Art. 17 Abs. 4).
Art. 15
Landwirtschaftsamt
Dem Landwirtschaftsamt obliegen:
a) die Überwachung und Kontrolle der Einhaltung der Bestimmungen dieser Verordnung, soweit nichts anderes bestimmt ist;
b) die Anerkennung der Milchverarbeiter und Milchkäufer (Art. 4);
c) die Erhebung der Abgabe bei Überschreitung der Toleranzmenge (Art. 12);
d) der Erlass einer Verfügung bei erfolglosem Schlichtungsverfahren (Art. 19).
Art. 16
Milchmarktkommission
Der Milchmarktkommission obliegen:
a) die Beratung der Regierung;
b) die Schlichtung von Streitigkeiten zwischen der Produzentenorganisation und den Milchproduzenten (Art. 19).
Art. 17
Produzentenorganisation
1) Der Produzentenorganisation obliegen:
a) die Verwaltung und die Zuteilung der einzelbetrieblichen Liefermengen an die einzelnen Milchproduzenten (Art. 6 und 7 );
b) die Zuteilung der Mehrmenge an die Milchverarbeiter (Art. 10);
c) die Weiterverrechnung der Abgabe bei Überschreitung der Toleranzmenge (Art. 11 Abs. 2);
d) der Erlass und die Veröffentlichung des von der Regierung genehmigten Reglements (Art. 8);
e) die Einholung von Auskünften (Art. 18);
f) weitere Aufgaben, die ihr durch Gesetzgebung oder Leistungsvereinbarung übertragen sind.
2) Sie hat dafür zu sorgen, dass das Landeskontingent nicht überschritten wird.
3) Sie ist verpflichtet, der Regierung und dem Landwirtschaftsamt alle Auskünfte zu erteilen und dem Landwirtschaftsamt jährlich Bericht zu erstatten.
4) Mit den Aufgaben der Produzentenorganisation wird der Liechtensteiner Milchverband betraut. Die Einzelheiten über die Aufgabenerfüllung und die Entschädigung werden in einer Leistungsvereinbarung zwischen der Regierung und dem Liechtensteiner Milchverband festgelegt.
Art. 18
Auskunftspflicht
1) Milchproduzenten, Milchverarbeiter, Milchkäufer und die Produzentenorganisation sind verpflichtet, dem Landwirtschaftsamt die für den Vollzug dieser Verordnung notwendigen Auskünfte zu erteilen und die erforderlichen Kontrollen zuzulassen.
2) Milchproduzenten, Milchverarbeiter und Milchkäufer sind verpflichtet, der Produzentenorganisation die für den Vollzug dieser Verordnung notwendigen Auskünfte zu erteilen und die erforderlichen Kontrollen zuzulassen.
3) Milchproduzenten haben die Produzentenorganisation und den Milchverarbeiter oder Milchkäufer unverzüglich und unaufgefordert über allfällige behördlich verfügte Milchliefersperren zu informieren.
IV. Rechtsschutz
Art. 19
Schlichtungsverfahren
1) Bei Streitigkeiten zwischen der Produzentenorganisation und Milchproduzenten ist zwingend ein Schlichtungsverfahren vor der Milchmarktkommission durchzuführen.
2) Die Milchmarktkommission als Schlichtungsstelle berät die Parteien und versucht, eine Einigung herbeizuführen.
3) Kann keine Einigung erzielt werden, erlässt das Landwirtschaftsamt eine Verfügung.
Art. 20
Beschwerde
1) Gegen Entscheidungen des Landwirtschaftsamtes kann binnen 14 Tagen ab Zustellung Beschwerde bei der Beschwerdekommission für Verwaltungsangelegenheiten erhoben werden.
2) Gegen Entscheidungen der Beschwerdekommission für Verwaltungsangelegenheiten kann binnen 14 Tagen ab Zustellung Beschwerde beim Verwaltungsgerichtshof erhoben werden.
3) Die Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof kann sich nur gegen rechtswidriges Vorgehen und Erledigen oder gegen aktenwidrige oder unrichtige Sachverhaltsdarstellungen richten.
V. Strafbestimmungen
Art. 21
Übertretungen
Nach Art. 76 des Gesetzes wird bestraft, wer:
a) Milch entgegen Art. 3 und 4 in Verkehr bringt;
b) die Aufzeichnungs- und Meldepflicht nach Art. 13 verletzt;
c) der Auskunftspflicht nach Art. 18 nicht nachkommt.
VI. Übergangs- und Schlussbestimmungen
Art. 22
Übergangsbestimmungen
1) Auf die Milchmengenregelung für das Kalenderjahr 2009 findet das bisherige Recht Anwendung; die darauf gestützten Entscheide bleiben aufrecht.
2) Bestehende Verträge über die Zusammenlegung und Übertragung von Milchkontingenten im Rahmen von Betriebsgemeinschaften und Betriebszweiggemeinschaften bleiben aufrecht. Die einzelbetrieblichen Liefermengen werden weiterhin gesondert zugeteilt.
Art. 23
Aufhebung bisherigen Rechts
Die Verordnung vom 11. Dezember 2007 zum Milchmengenregelungsgesetz (Milchmengenregelungsverordnung; MMRV), LGBl. 2007 Nr. 342, wird aufgehoben.
Art. 24
Inkrafttreten
Diese Verordnung tritt am Tage der Kundmachung in Kraft.

Fürstliche Regierung:

gez. Dr. Klaus Tschütscher

Fürstlicher Regierungschef

1   LR 910.0